Diskurs

Abrissreif oder noch sanierbar?

Das „gemeinsame Haus“ sechs Jahre nach Laudato si‘

Seit den 1970er Jahren sind Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zentrale Anliegen des Ökumenischen Rates der Kirchen. Mit seiner 2015 herausgegebenen Enzyklika Laudato si‘ stellte Papst Franziskus diese Themen erstmals in den Mittelpunkt eines päpstlichen Sendschreibens. Entsprechend groß war die Resonanz. Doch was hat Laudato si‘ bewirkt, im Raum der Kirchen und in der Gesellschaft? In welchem Zustand sind die Erde – das „gemeinsame Haus“ – und die Menschheit heute? Was bleibt zu tun?

Darüber wurde in einer Online-Tagung am 26. Juni 2021 mit Gesprächspartnerinnen und -partnern aus Wissenschaft, Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft diskutiert. Zu der Tagung eingeladen hatten:

  • Bischöfliche Fachkommission „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ im Bistum Magdeburg
  • Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.
  • Evangelische Akademie Thüringen
  • Katholisches Forum im Land Thüringen, die Akademie des Bistums Erfurt
  • Katholische Akademie des Bistums Magdeburg
  • Lothar-Kreyssig-Ökumene-Zentrum der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
  • Ökumenischer Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“
  • Seelsorgeamt des Bistums Erfurt, Bereich Bildung und Spiritualität
  • Umweltbeauftragter des Bistums Magdeburg

Zu Beginn der Tagung referierte Dr. Dieter Gerten, Professor für „Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel“ am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Forschergruppenleiter und Koordinator für Erdmodellierung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er skizzierte die Entwicklungen des Weltklimas seit der letzten Eiszeit bis heute und ging dabei besonders auf die Jahre seit Erscheinen der Enzyklika Laudato si‘ ein.

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Im zweiten Teil der Tagung kamen Stimmen aus Politik, Theologie und Wirtschaft zu Wort. Die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke, Parlamentarische Geschäftsführerin und Naturschutzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hob die Wirkung der Enzyklika von Papst Franziskus auf den Pariser Klimagipfel 2015 hervor. Sie nimmt jedoch seit dieser Zeit eher eine „zurücklehnende Haltung“ beim Klimaschutz wahr. Es sei zwar einiges in Gang gekommen, aber bei weitem zu wenig. Die Menschheit – auch die Politik in Deutschland – befinde sich auf einem „Mittelweg“, der laut Papst Franziskus ins Verderben führe.

Der Theologe Professor Dietrich Werner, Grundsatzreferent für Theologie und Ökumene bei der evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt, beleuchtete die Reaktionen auf die Enzyklika Laudato si‘ in der weltweiten Ökumene. Seinem Eindruck nach sei sie ein „extrem wichtiger Beitrag zu einer theologischen Begründung einer ganzheitlichen Ökologie“. Sie sei in erster Linie nicht eine politische, sondern eine spirituelle Schrift und habe innerhalb der Katholischen Kirche, aber auch im Raum der evangelischen Kirchen und der Orthodoxie große Resonanz erfahren.

Die Perspektive der Wirtschaft brachte Dr. Florian Reißmann in die Tagung ein, Geschäftsführer der Landesgruppe Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW). Reißmann äußerte die Vermutung, dass die Enzyklika des Papstes auch in der Wirtschaft nicht ohne Wirkung geblieben sein dürfte, dies aber nicht nach außen kommuniziert werde. Er betonte, dass der Klimaschutz in der Branche hohe Priorität habe, dass Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit aber ebenso wichtige Faktoren seien, ohne die Klimaneutralität nicht erreicht werden könne. Den „Green Deal“ der Europäischen Union bezeichnete er als „Konjunkturmotor“, der auch der regionalen Wirtschaft zugutekommen und hunderttausende Arbeitsplätze schaffen oder sichern werde.

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Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion, die von Dr. Hans-Joachim Döring, Mediator Wirtschaft und Umwelt und ehemaliger Beauftragter für Umwelt und Entwicklung in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, moderiert wurde. Diskussionsteilnehmer waren Wendelin Bücking, Umweltbeauftragter im Bistum Magdeburg, Bernhard Pötter, Autor und Journalist bei der taz, Sebastian Striegel, ehemaliger Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/die Grünen, und Daniel Trutwin, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer. Auch sie tauschten aus, wie die Enzyklika „Laudato si‘“ in ihren Arbeitszusammenhängen wahrgenommen wurde und welche Schritte in Kirche und Gesellschaft jetzt vordinglich seien, um den Zielen Nachhaltigkeit und Klimaschutz näher zu kommen.

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Das Schlusswort zur Tagung sprach Dr. Reinhard Grütz, Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Magdeburg.

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Jörg Göpfert

Studienleiter, Arbeitsbereich Umwelt und Soziales
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