Diskurs

Ein Tag gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Methoden und Bausteine für die Arbeit mit Konfis und Jugendlichen
Regenschirme im Himmel
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 „Gerechtigkeit und Verantwortung für andere“ ist nach der zweiten Studie für Konfirmandenarbeit eines der wichtigsten Interessen von Konfis und auch Fragen nach der eigenen Identität und Zugehörigkeiten prägen ihre Lebenswelt. Wer bin ich und wer will ich sein? Welche Merkmale sind begehrt, welche weniger, warum ist das so und muss das so sein? Werden Menschen aufgrund eines einzelnen Merkmals einer Gruppe zugeschrieben und dann als ‚anders‘ oder ‚unnormal‘ markiert, handelt es sich um Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (mehr Informationen hierzu auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung). Von Rassismus über Homophobie bis hin zu Sexismus umfasst der Begriff eine ganze Reihe an Ausgrenzungsmustern. Dabei vollzieht sich eine gruppenbezogene Abwertung nicht ausschließlich in offener Gewalt. Oft sind es auch die unbewussten oder womöglich gut gemeinten Botschaften zwischen den Zeilen, welche Menschen abstempeln und verletzen können. In diesem Beitrag stelle ich einige Methoden und Bausteine vor, um das Thema in der Konfi- und Jugendarbeit spielerisch zu bearbeiten. Bei Triggergefahr sollten Fachleute hinzugezogen werden.

Inhalt

Sensibilisierung für Ausgrenzungsmechanismen

Mit kleineren Übungen zu Beginn der Einheit kann vorsichtig in das Thema eingestiegen werden. Dabei geht es noch nicht direkt um Identitätsmerkmale, sondern ganz allgemein um Gruppenbildung und Ausgrenzungsmechanismen. Die Dauer ist je ca 15-30 Minuten.

Punktespiel

Die TN bekommen je einen Punkt in unterschiedlichen Farben und Größen auf die Stirn geklebt. Nun sollen sie mit Blick auf die Punkte und ohne zu sprechen Gruppen bilden. Haben sich die Gruppen gebildet, kann der Prozess reflektiert werden: Wie kamen Menschen in eine Gruppe? Nach welchen Kriterien haben sie sich formiert? Und lassen sich darin Situationen aus dem Alltag wiedererkennen?

Quelle: Das Punktespiel findet sich in zahlreichen Methodenheften, u. a. auch online bei Kulturshaker.

In & Out

Bei dieser Methode verlassen zwei Freiwillige den Raum, während die anderen in Kleingruppen Vereinbarungen treffen. Zum Beispiel unterhalten sie sich über ein bestimmtes Thema, wobei sie die Schlüsselworte ersetzen. So werden beispielsweise bei einer Unterhaltung über die Schule, Schüler:innen mit „Bananen“, Lehrkräfte mit „Affen“ und Schule mit „Zoo“ ersetzt. Die Freiwilligen betreten wieder den Raum und haben die Aufgabe sich in die Gruppen zu integrieren. Der Prozess wird im Anschluss reflektiert. Hat die Integration geklappt? Wie ging es den Freiwilligen? Wie war es für die Gruppen? Und kennt wer diese Situation aus dem echten Leben?

Quelle: DGB-Bildungswerk Thüringen e. V. (2003): „Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit“, S. 48.

Reflexion über Identitätsmerkmale, Privilegien und Vorurteile

Bei diesen Methoden und Bausteinen geht es um konkrete Identitätsmerkmale und welche Privilegien bzw. Benachteiligungen sie mit sich bringen. Ziel ist es, sich über Ungleichheit in der Gesellschaft bewusst zu werden, um in den nächsten Schritten zu überlegen, wie dem entgegengewirkt werden kann. Ggf. macht es Sinn, vorher noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass alle Identitäten und Rollen, besonders in der Kirche, gleich wertvoll und willkommen sind, aber manche es eben doch leichter als andere haben. Für die Methoden sollten je 30-60 Minuten eingeplant werden.

Ein Schritt vor

Jede:r TN bekommt eine Rollenkarte und malt sich das Leben der Person aus. Nun stellen sich alle an einer Linie auf. Die Leitung liest nacheinander Ja-Nein-Fragen vor, z.B.: Kannst du deine Beziehung öffentlich leben, ohne Anfeindungen befürchten zu müssen? Wenn die TN eine Frage für die Rolle mit Ja beantworten können, treten sie einen Schritt vor. Im Anschluss reflektieren sie, wie es sich in den unterschiedlichen Positionen angefühlt hat.

Quelle: Die Methode findet sich in zahlreichen Heften, teilweise auch unter dem Namen „Wie im echten Leben“. Für die Jugendarbeit zugeschnitten ist sie im „Tool-Pool“ von Ebinger et al.

Pimp Your Identity

Hierbei handelt es sich um ein Würfelspiel, bei dem die TN anhand verschiedener Merkmal eine künstliche Identität, ähnlich wie der Avatar in einem Computerspiel, „aufpimpen“. Reihum können sie verschiedene Merkmale gegen andere eintauschen, müssen jeden Schritt jedoch begründen. Nach der Spielphase geben sie an, wie zufrieden sie mit der erwürfelten Identität sind und tauschen sich darüber aus, welche Merkmale beliebt waren, welche eher weniger und woran das liegen könnte.

Quelle: Die Methode aus der Antiziganismus-Arbeit findet sich auf S.17-18  im Heft „Gemeinsam Verstehen“ der Alten Feuerwache. Alle Materialien hierzu und ebenso Varianten der anderen Methoden sind darüber hinaus in der sehr empfehlenswerten, aber kostenpflichtigen Sammlung „Methodenhandbuch zum Thema Antiziganismus“ zusammengefasst.

Sensibilisierung für Alltagsdiskriminierung und Erfahrungsaustausch

Um konkret zu werden und den TN die Möglichkeit zu geben, über ihre Erfahrungen in den Austausch zu kommen, empfiehlt sich eine Kleingruppenarbeit von 30-45 Minuten. Im Vorbereitungsteam werden im Vorfeld verschiedene Begriffe, Aussagen, Bilder oder Sprichwörter, welche als diskriminierend empfunden werden können, gesammelt. Beispiele sind u.a.:

  • „Du sprichst aber gut Deutsch!“
  • „Die Gemeinde erhebe sich zum Segen“
  • „Toll, dass du dich traust, das zu tragen!“
  • „Und wo kommst du wirklich her?“
  • „Beeindruckend, wie du deinen Alltag meisterst!“
  • „Können mir bitte ein paar starke Jungs helfen, die Stühle zu tragen?“
  • „Farbige“

Jede Kleingruppe erhält eine Aussage und beantwortet gemeinsam, wann und in welchem Kontext sie wen verletzten kann. Warum ist sie verletztend, also welche Botschaft oder Annahme versteckt sich dahinter? Und zum Schluss: wie kann eine solche Verletzung/Diskriminierung verhindert werden? Vielleicht fallen den Gruppen auch noch weitere Aussagen oder Momente ein, in denen eine subtile, nicht unbedingt intendierte Ausgrenzung stattfindet.

Entwicklung einer Haltung und kreatives Handeln

Zum Schluss der Einheit oder des Konfi-Tages regen kreative Bausteine dazu an, die Informationen zu verarbeiten und eine Haltung einzunehmen. Für die Kreativphase sollte nochmal ca 1 Stunde eingeplant werden.

Memes gestalten

Als Memes werden bestimmte aus der Netzwelt bekannte Motive mit einer humoristischen individuell entwickelten Aussage bezeichnet (siehe auch Memes zum Globalen Lernen). Sie können mit Mobilgeräten online in sog. Meme-Generatoren gestaltet werden. Ein Meme-Generator mit klassischen Motiven findet sich bei Imgflip. Sehr zu empfehlen ist aber auch der christliche Meme-Generator des DisKursLab der Evangelischen Akademie zu Berlin, welcher ausschließlich mit lizenzfreien Bildern und teilweise biblischen Motiven arbeitet.

Da viele Gemeinden keinen freien Internetzugang anbieten, kann eine zusätzliche analoge Variante sinnvoll sein. Hierfür werden die Meme-Vorlagen ausgedruckt und können nun mit Moderationskarten mit Aussagen verknüpft werden. Auf einer an die Wand projizierten Online-Pinnwand werden dann beide Gestaltungsformen zusammengeführt: entweder die Konfis posten ihre Memes dort direkt mit ihren Mobilgeräten oder die Leitung fotografiert sie ab und stellt sie online (ein Beispiel hierfür findet sich unten in diesem Beitrag). So können die TN ihre Mobilgeräte nutzen, sind aber nicht darauf angewiesen. Am Ende werden die Memes noch einmal in der Gruppe betrachtet und ggf. erklärt oder gelikt.

Quelle: Eine Beschreibung der Methode findet sich u.a. online bei „Wir sind antianti“. Viele kreative Beispiele aus der Jugendarbeit können auch auf der Hall of Meme bei bildmachen angeschaut werden.

Menschenrechtspantomime

Standbilder und Pantomime sind eine weitere Option gemeinsam eine Haltung einzunehmen. Ein Anknüpfungspunkt bieten hier die verschiedenen Menschenrechte: Die TN teilen sich in Kleingruppen auf und ziehen je ein Menschenrecht. Dazu bilden sie ein pantomimisches Standbild und die anderen müssen raten, um welches Menschenrecht es sich handelt.

Quelle: Die Methode sowie einfach formulierte Zusammenfassungen der Menschenrechte finden sich auf S. 38-41 im Heft „(Alltags-)Rassismus begegnen“ des Diakonievereins Freiburg-Südwest.

Blog „Konfis global“

Ich hoffe, die Methodenhinweise waren inspirierend und motivieren für die eine oder andere Konfi-Einheit. Bei einem Konfi-Tag in Leipzig bildeten sie ein gutes Fundament, um mit den Konfis über Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in den Austausch zu kommen. Ich persönlich war sehr beeindruckt, wie reflektiert und selbstkritisch die Gruppe bereits war. Bei Fragen und Hinweisen freue ich mich immer über eine Nachricht.

Weitere Beiträge zum Globalen Lernen mit digitalen Medien in der Konfi-Arbeit finden sich im Blog der Projektstelle „Konfis und die Eine Welt“.

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Mit Padlet erstellt

Miriam Meir

Studienleiterin der Projektstelle "Konfis und die Eine Welt" (2019-2023)
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Konfis Global

In diesem Blog berichte ich zu Globalem Lernen in der Konfi-Arbeit und gebe Anregungen zur Nutzung digitaler Medien.

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