Liebe Leserinnen und Leser,
ich danke allen sehr herzlich, die dem Aufruf im letzten Heft gefolgt sind, uns alte Druckerzeugnisse aus dem Kirchlichen Forschungsheim zu schicken. In meinem Büro musste ich neuen Platz schaffen für das Forschungsheim-Archiv. Das ist jetzt weitgehend vollständig. DANKE. Wir werden uns nach und nach daran machen, die herausragenden Schriften zu digitalisieren, denn sie sind auch heute noch unbedingt lesenswert.
Die gelben Seiten dieser Ausgabe der BRIEFE sind aus aktuellem Anlass dem alten Thema Elbe-Ausbau gewidmet. Hintergrund ist ein neuer Staatsvertrag zwischen Deutschland und Tschechien, der die (ohnehin bisher kaum wirksamen) Ergebnisse des Gesamtkonzeptes Elbe ad absurdum führen kann. Das geplante und Einigen schon angekündigte Thema: Wie weiter im Wald? erscheint in der nächsten Ausgabe.
In den weißen Seiten finden Sie unter Anderem den vierten Klimabericht der EKD, Informationen zum Kalender #Schöpfungszeit, den Sie vor Kurzem erhalten haben sowie einen besonderen Buch- und Filmtipp: Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution.
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen, insbesondere zum Kalender und zum Buch-/ Filmtipp und wünschen Ihnen Freude beim Lesen.
Bleiben Sie behütet und froh,
Siegrun Höhne
Geistlicher Impuls
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“
(Prediger Salomo, 3.1)
von Siegrun Höhne
Eigentlich wissen wir das ja. Eigentlich …
Als wir in der einer Klausur-Sitzung der Mitarbeiter/innen der Evangelischen Akademie in Wittenberg die Dinge zusammengetragen haben, die bei uns „suboptimal“ laufen, war Zeitmangel ein mehrfach genanntes Thema. Zu wenig Zeit für Fortbildung, für das Studium von Fachliteratur, für Vorbereitungen und Abrechnungen, für den internen Austausch, für Networking und Kontaktpflege… Die Liste ließe sich fortsetzen. Ein modernes Zauberwort heißt „Zeitmanagement“. In oft teuren Kursen kann man sich in Sachen Zeitmanagement schulen lassen. Doch wir können nicht die Zeit managen. Wir können nur uns managen. Jede/r sich selbst.
Da wären die grundsätzlichen Fragen zu klären: Wofür habe ich immer Zeit? Wofür habe ich wirklich niemals Zeit? Und wofür bin ich bereit, etwas Zeit einzusetzen?
Wenn wir unsere Aktivitäten beschleunigen, immer mehr in gleicher Zeit bewältigen, kommen wir irgendwann an unsere Grenzen und sehnen uns nach der Urlaubsinsel. Sogar in die Freizeit packen wir möglichst viel, um nichts zu verpassen. Dann gehen wir „mal schnell was essen, oder „ganz kurz einkaufen“ oder … „einen Moment spazieren“ (welch ein sprachlicher Unsinn!).
Doch woher sollen wir die Zeit nun nehmen, die uns fehlt (ohne sie jemand anderem zu stehlen)? Ich denke, dass wir zunächst lernen müssen, das Wichtige von dem Dringlichen zu unterscheiden. Wie oft bestimmen uns die Dinge, nur weil sie drängen? Eine Abrechnung muss fertig werden und der Kollege ist nicht da. Ein Treffen steht an, und ist nicht vorbereitet. Fragen wir uns, ob das Problem wirklich so wichtig ist? Was passiert, wenn wir es nicht (termingerecht) lösen?
Was ist eigentlich wichtig? Was sind unsere Lebensziele? Was sind die Ziele für die nächsten Monate? Was sind meine Ziele im Büro für den heutigen Tag?
Wieweit plane ich meinen Tag? Ist er vollgepackt bis zur letzten Stunde? Habe ich ein Zeitfenster eingeplant für „Unerwartetes“? Denn Unerwartetes kommt immer; Zeit, die dann fehlt, die wir dann oftmals im Bereich Freizeit streichen, oder beim Schlaf. Planen wir den Tag ruhig mit Zeitfenstern für Familie, Hobby, Kaffeeklatsch oder was auch immer. Für das, was uns wichtig ist.
Gönnen wir uns Auszeiten: eine Stunde am Tag nicht erreichbar sein, um
z. B. konzentriert arbeiten zu können, wäre toll. Einmal in der Woche wirklich ruhen, vielleicht am Sonntag. Im Lärm unseres Alltags geht Gottes Stimme oft unter.
Ich weiß nicht mehr, woher die Empfehlung kommt, sich jetzt schon, egal in welchem Alter wir sind, die eigene Grabrede zu schreiben oder –wem das zu heftig ist – die Festansprache zum eigenen 80. Geburtstag. Und zwar im Rückblick auf sich selbst. Das wäre eine gute Möglichkeit, sich darüber klar zu werden, was wirklich wichtig ist. Worauf würden wir zurückblicken? Auf Versäumtes, auf Dinge, die wir hätten anders tun sollen?
Der Prediger Salomo ermuntert uns in seinem Text, uns an Gottes Gegenwart zu freuen mitten in den Aufs und Abs des Tages. ER ermuntert uns, hart zu arbeiten und zu schaffen und uns daneben Raum und Zeit zum Genießen zu lassen, um Gottes Gegenwart im Alltag erleben zu können.
Aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Der vierte Klimabericht für die Evangelische Kirche in Deutschland 2020
von Oliver Foltin1 und Volker Teichert2
Seit November 2020 liegt der vierte EKD-Klimabericht vor.3 Er wurde auf Bitte des Rates und des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland für die EKD-Herbstsynode 2020 von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) erarbeitet.
In der Einleitung zum zweiten Klimabericht aus dem Jahre 2014 wurde hinsichtlich der Klimaschutzziele festgehalten, dass sich „in den letzten Jahren (…) viele Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen und Werke sehr intensiv mit diesen Zielen auseinandergesetzt und sich auf den Weg gemacht haben, mit unterschiedlichen Instrumenten und Maßnahmen Beiträge zu leisten, um diese Ziele zu verwirklichen“.4 Im dritten Klimabericht 2017 wurde dies mit der Feststellung ergänzt, dass die Intensität dieser Beschäftigung mit Klimaschutz in den vorausgegangenen drei Jahren an vielen Stellen noch deutlich zugenommen hatte.5 Im aktuellen, vierten Klimabericht des Jahres 2020 wurde anerkannt, „dass trotz der auch für die Kirchen drängenden Fragen, die die unmittelbaren praktischen Probleme der Bewältigung der Corona-Pandemie mit sich bringen, Klimaschutz nichts an seiner Bedeutung für die Kirchen eingebüßt hat. Im Gegenteil: Überlegungen zur Gestaltung eines ökonomischen Neustarts nach Corona zeigen in der Regel die Bedeutung einer Integration von Umwelt- und Klimaschutz in Strategien des wirtschaftlichen Wiederaufbaus auf.“6
Wie schon in den drei Klimaberichten zuvor, versucht auch der vierte Klimabericht deutlich zu machen, was in den letzten Jahren innerkirchlich im Bereich Klimaschutz geschehen ist und wie sich die angestrebten Treibhausgas-Reduktionen entwickelt haben.
EKD-Synodenbeschlüsse zum Klimaschutz
Eine gute Basis der Aktivitäten zum Schutz des Klimas in der EKD und ihren Gliedkirchen stellen die Beschlüsse der EKD-Synode zum Klimaschutz dar. Die ersten Beschlüsse der Synode der EKD mit weitreichenden Zielen und Maßnahmen zur praktischen Umsetzung des Klimaschutzes stammen aus dem Jahre 2008. Seit dieser Zeit wurde der Synode von der FEST Heidelberg im Turnus von drei Jahren ein Klimabericht vorgelegt, nach dessen Präsentation in der Synode Beschlüsse zum Klimaschutz gefasst wurden. Darüber hinaus beschäftigte sich die Synode aufgrund der UN-Klimakonferenz COP 21 in Paris in den Jahren 2015 (vor der Konferenz) und 2016 (nach der Konferenz) sowie aufgrund der UN-Klimakonferenz COP 25 in Madrid und des „Klimapakets“ der Bundesregierung im Jahr 2019 mit dem Thema Klimaschutz. Daraus ergaben sich insgesamt sieben klimarelevante Beschlüsse, und zwar in den Jahren 2008, 2011, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2019. Zusätzlich gab es im Jahre 2018 einen Beschluss zum Kohleausstieg in der Energieversorgung, in dem sich die Synode gegenüber den politisch Verantwortlichen dafür aussprach, umgehend ein konkretes Kohleausstiegsdatum festzulegen.
Zahlreiche Gliedkirchen haben die Beschlüsse der EKD zum Klimaschutz als Grundlage für die Erstellung und spätere Umsetzung von Klimaschutzkonzepten genommen. Diese Konzepte liegen inzwischen für 15 der 20 Gliedkirchen der EKD vor. Mit Braunschweig und Sachsen sind aktuell zwei weitere Gliedkirchen in der Antragsphase zur Förderung von entsprechenden Klimaschutzkonzepten.
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen in den Gliedkirchen
In dem aktuellen Klimabericht werden zunächst die Ergebnisse hinsichtlich der Frage präsentiert, ob die von der EKD-Synode empfohlenen Ziele einer Reduktion von Treibhausgasen (THG) um 25 Prozent von 2005 bis 2015 sowie um 40 Prozent bis 2020 erreicht wurden. Anschließend werden die gesamten THG-Emissionen der Gliedkirchen der EKD in den Blick genommen und schließlich die Klimaschutzziele der EKD und der Gliedkirchen. Auf Grund der großen Verschiedenheit der Landeskirchen wurde zur Beantwortung der Frage, ob das Reduktionsziel von 25 Prozent im Zeitraum 2005 bis 2015 erreicht wurde, der Ansatz gewählt, nur solche Landeskirchen in die Berechnung einzubeziehen, bei denen Daten entweder direkt aus den Jahren 2005 und 2015 vorlagen oder aber bei denen Inter- beziehungsweise Extrapolationen in nur relativ geringem Umfang notwendig waren.
Insgesamt ergaben die Auswertungen von acht Landeskirchen, für die entsprechend belastbare Daten vorlagen, dass – im mit den Kirchenmitgliederzahlen von 2015 gewichteten Durchschnitt – von 2005 bis 2015 rund 20 Prozent der THG-Emissionen eingespart werden konnten. Das ist durchaus beachtlich, auch wenn das Ziel einer 25-prozentigen Reduktion laut diesen Berechnungen um fünf Prozentpunkte verfehlt wurde (Tab. 1).
Wie bei der Untersuchung des 25-Prozent-Ziels wurde auch beim 40-Prozent-Ziel bis 2020 zum allergrößten Teil auf vorhandene Daten zurückgriffen. Das bedeutet konkret, dass nur diejenigen Landeskirchen einbezogen wurden, die einen Wert für 2005 – oder zumindest nahe dran – vorweisen konnten. Um zu prognostizieren, ob das Reduktionsziel von 40 Prozent bis 2020 voraussichtlich erreicht wird, wurde auf Basis der Werte von 2005 mittels des jeweils aktuellsten verfügbaren Wertes einer Gliedkirche eine durchschnittliche jährliche THG-Änderung bis 2020 berechnet. Insgesamt konnten für die Berechnungen die Daten von neun Landeskirchen verwendet werden. Diese Methode der Trendfortschreibung ergab, dass die durchschnittliche THG-Emissionsreduktion bis zum Jahr 2020 bei 29 Prozent und damit deutlich unterhalb des angestrebten Reduktionsziels von 40 Prozent lag (Tab. 2).
Trotz eventueller statistischer Ungenauigkeiten ist der Abstand vom 40-Prozent-Ziel mit mehr als zehn Prozentpunkten recht klar und zeigt eine deutliche Lücke zwischen Ziel und Zielerreichung. Hinzu kommt, dass relativ leicht umsetzbare THG-Reduktionsmaßnahmen („low hanging fruits“) oft zu Beginn Anwendung finden, und darüber hinausgehende THG-Reduktionen oft eher schwieriger zu erreichen sind. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der Corona-Pandemie eine relativ große Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen THG-Emissionen des Jahres 2020 besteht.
Treibhausgas-Emissionen aller Gliedkirchen der EKD
Im vierten Klimabericht wurde auch eine Schätzung der THG-Emissionen aller Landeskirchen vorgenommen. Dies war möglich, da von 14 Landeskirchen für mindestens ein Jahr die THG-Emissionswerte vorlagen. Diese 14 Landeskirchen repräsentieren 91 Prozent der Kirchenmitglieder der EKD. Allerdings gab es bei der Ermittlung auch Einschränkungen. Zum einen sind nicht bei allen Landeskirchen sämtliche Bereiche – Gebäude, Mobilität und Beschaffung – erfasst worden. Da insbesondere für den Beschaffungsbereich die Datenlage relativ schwierig und hier die Methodik der Erfassung sehr unterschiedlich ist, wurde für diesen keine Hochrechnung vorgenommen, sondern allein für die Bereiche Gebäude (Daten aus 14 Landeskirchen) und Mobilität (Daten aus 13 Landeskirchen). Zum anderen liegen die Werte über einen großen Zeitraum verteilt und teilweise recht weit in der Vergangenheit vor.
Im Gebäudebereich ergaben die verschiedenen Berechnungsvarianten eine Spannbreite von etwa 850.000 bis 900.000 Tonnen CO2e7, die durch die Landeskirchen insgesamt emittiert wurden. Pro Kirchenmitglied lagen die THG-Emissionen bei 40-41 kg CO2e. Im Bereich Mobilität ergaben die Varianten eine Spannbreite von etwa 155.000 bis 165.000 Tonnen CO2e, die durch die Landeskirchen insgesamt emittiert wurden. Pro Kirchenmitglied sind das etwa 7 kg CO2e. Somit lagen die THG-Emissionen pro Kirchenmitglied der EKD jährlich bei etwa 47 kg CO2e für die Bereiche Gebäude und Mobilität.
Ziele und Empfehlungen
In den Wochen und Monaten, in denen der vierte EKD-Klimabericht erarbeitet und fertiggestellt wurde, gab es aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie zahlreiche öffentliche Forderungen zum Thema Klimaschutz für die Post-Corona-Zeit. Aber auch bereits zuvor hatte es seit dem letzten EKD-Klimabericht 2017 einige überraschende Wendungen gegeben: Mit der von Schülerinnen und Schülern initiierten „Fridays for Future“-Bewegung, an deren Klimastreiks sich auch andere gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure beteiligten, ist Klimaschutz 2019 wieder zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Bundesregierung hat reagiert und mit dem Klimaschutzpaket vom September 2019 ein Instrumentarium mit zahlreichen Maßnahmen vorgestellt, das einen wesentlichen Beitrag leisten soll, das Klimaschutzziel einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent von 1990 bis 2030 zu erreichen. Auch die Corona-Pandemie, der Rückgang der Kohleverstromung infolge der Wirkungen des europäischen Emissionshandels und nicht zuletzt ein sehr windiger Winter mit einer starken Produktion erneuerbarer Energien haben dazu beigetragen, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung nun wieder erreichbar scheinen. Zwischenzeitlich sind die CO2-Reduktionsziele im Frühjahr 2021 zudem weiter angepasst worden, sodass nach den Plänen der Bundesregierung bis 2030 eine Reduktion um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 erfolgen soll.
Allerdings ist auch sehr deutlich geworden, dass Klimaschutz und die damit angestrebte annähernde Klimaneutralität nicht umsonst zu bekommen sind, sondern dass es Einschränkungen nach sich ziehen wird, wenn das nun angepasste Klimaschutzziel – bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen und damit fünf Jahre früher als bislang geplant – wirklich erreicht werden soll. Es wird nämlich nicht genügen, lediglich mit ein paar technischen Effizienzmaßnahmen die CO2-Emissionen zu verringern. Es sollte jetzt vor allem darauf geachtet werden, dass die bereits beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz aus dem Klimapaket von Dezember 2019 auch während und nach der Corona-Krise weiter umgesetzt werden. Ein Verzicht auf die beschlossenen Instrumente oder deren Verschieben wäre fatal für den Klimaschutz, denn trotz der Covid-19-Pandemie ist der Klimawandel ein Thema, das die Menschheit mindestens genauso bedroht wie das Coronavirus. Die Klimaschutzmaßnahmen sollten deswegen zügig und ohne Einschränkungen kontinuierlich umgesetzt werden.
Klimaschutzziele in der EKD und ihren Gliedkirchen
Im EKD-Klimabericht wurde für die nächsten Jahre der folgende Fahrplan vorgeschlagen: Eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 60 Prozent bis 2030, um 75 Prozent bis 2040 und um 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zum Basisjahr 2005. Somit wäre ein langfristiger Zielkorridor zur Treibhausgasneutralität bis 2050 in den Landeskirchen vorgezeichnet. Dieser gibt eine wichtige Orientierung zum letztlich notwendigen Ziel bis 2050 und den Zwischenschritten in den Jahren davor. Natürlich ist dieser Weg mit teilweise großen Unsicherheiten verbunden. Auch müssen einzelne Maßnahmen – insbesondere für den Zeitraum ab 2030 – erst noch entwickelt und dann konkretisiert und beschlossen werden. Hinsichtlich der Reduktion der CO2-Emissionen wird sich zudem ein Rückgang von Gemeindegliedern in der EKD nicht unerheblich auf die CO2-Bilanz auswirken. Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von Immobilien verkauft oder abgerissen wird. Je nachdem, welche Gebäude im Einzelnen abgegeben oder aufgegeben werden, wird diese Entwicklung die Gesamtbilanz der CO2-Emissionen deutlich mindern. Allerdings zeigt sich, dass die Aufgabe von Gebäuden nicht ausreichen wird, die CO2-Emissionen in diesem Bereich bis 2050 in einem ausreichenden Maße zu reduzieren.
Im EKD-Klimabericht wurde der Synode der EKD empfohlen, in Übereinstimmung mit ihren Beschlüssen die Landeskirchen zu bitten, Klimaschutz weiterhin zu einer Schwerpunktaufgabe zu machen und
- bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 60 Prozent ausgehend vom Basisjahr 2005 vorzusehen;
- bis spätestens 2050 eine annähernde Klimaneutralität anzustreben;
- weiter die Umsetzung ihrer Klimaschutzkonzepte zu verfolgen beziehungsweise dort, wo es noch kein solches Konzept gibt, dieses unverzüglich zu erarbeiten;
- zu prüfen, ob die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes ein geeigneter Weg sein kann, um der Umsetzung der Klimaschutzkonzepte eine höhere Verbindlichkeit zu geben.
Zur Koordinierung und Umsetzung von Maßnahmen und zur Erreichung der Klimaschutzziele sollten – auch nach dem Auslaufen der Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – dauerhafte Projektstellen zum „Klimaschutzmanagement“ in allen Landeskirchen eingerichtet werden. Um die notwendigen finanziellen Mittel über diese Projektstellen hinaus zur Verfügung zu stellen, sollten landeskirchliche Sonderfinanzierungsprogramme wie Öko- oder Klimaschutzfonds für verschiedene Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung eingerichtet werden. Hier ist zu prüfen, wie derartige Fonds über längere Dauer und mit guter finanzieller Ausstattung gewährleistet werden können. Weiterhin sollte alle drei Jahre der EKD-Synode ein Klimabericht vorgelegt werden, aus dem die Umsetzung der beschlossenen Ziele ersehen werden kann.
Auf Basis des Klimaberichts hat die Synode am 9. November 2020 den Beschluss „Mehr Klimaschutz für eine resiliente Gesellschaft“ gefasst.8 Darin heißt es:
„Anknüpfend an den Klimabericht der EKD ruft die Synode alle Landeskirchen und die EKD mit ihren Einrichtungen auf, eine Emissionsminderung um 60 % (Basis 2005) in 2030 zu realisieren und Klimaneutralität im gesamten evangelisch-kirchlichen Bereich bis spätestens 2050 zu erreichen.“
In kirchlichen Institutionen bedarf es der Anstrengung zahlreicher Akteurinnen und Akteure – von der Gemeindeebene bis zur obersten Leitung –, um diese Aufgaben zu erfüllen. Klimaschutz sollte verstärkt als eine gemeinsame Querschnittsaufgabe auf allen Ebenen angesehen werden. Klimaschutzarbeit sieht sich immer mit einer Vielzahl anstehender Herausforderungen in den Kirchengemeinden konfrontiert. Dass CO2-Reduktionsziele erfolgreich verwirklicht werden können, zeigen indes Erfahrungen aus zahlreichen Landeskirchen, die sich bereits auf den Weg der Umsetzung ihrer Klimaschutzkonzepte begeben haben.
Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass bereits heute der globale Klimawandel viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche der Menschen in Deutschland beeinträchtigt. Seine Folgen sind primär durch Extremwetterereignisse wie Starkregen, Hochwasser und Sturmböen gekennzeichnet, aber auch extreme Hitzewellen mit Temperaturrekorden und Dürreperioden im Sommer stellen für viele kirchliche Einrichtungen eine große Belastung dar.
Dr. Oliver Foltin
Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e. V. (FEST)
Schmeilweg 5 | 69118 Heidelberg
Tel.: 06221 9122-33
| www.fest-heidelberg.de
1 Dr. Oliver Foltin, Diplom-Volkswirt, ist stellvertretender Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus ist er zuständig für das Projektbüro Klimaschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (www.projektbuero-klimaschutz.de) und Mitglied des Heidelberg Center for the Environment (HCE). Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Bereiche Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement, Umwelt- und Klimaschutzkonzepte sowie ethisches Investment.
2 Dr. Volker Teichert, Diplom-Volkswirt, Diplom-Pädagoge, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Nachhaltige Entwicklung der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST). Weiter ist er Prüfer für Umweltgutachter bei der Deutschen Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH (DAU) und Mitglied des Heidelberg Center for the Environment (HCE). Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Bereiche Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement, Produktpolitik, Klimaschutzkonzepte sowie Bildung für Nachhaltige Entwicklung.
3 Diefenbacher, Hans/Foltin, Oliver/Held, Benjamin/Rodenhäuser, Dorothee/Schweizer, Rike/Vetter, Hannes (2020): Klimabericht für die Evangelische Kirche in Deutschland 2020. Hannover: Geschäftsstelle der Synode, URL: www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/07-TOP-VII-Klimabericht.pdf
4 Diefenbacher, Hans/Foltin, Oliver/Schweizer, Rike/Teichert, Volker (2014): Klimabericht für die Evangelische Kirche in Deutschland. Hannover: Geschäftsstelle der Synode. S.1.
5 Diefenbacher, Hans/Foltin, Oliver/Schweizer, Rike/Teichert, Volker (2017): Klimabericht für die Evangelische Kirche in Deutschland 2017. Hannover: Geschäftsstelle der Synode. S.3.
6 Siehe Fußnote 3
7 CO2e ist die Abkürzung für CO2-Äquivalent. Bei dieser Angabe werden nicht nur die reinen CO2-Emissionen berücksichtigt, sondern auch alle anderen klimawirksamen Spurengase wie Methan, Lachgas und andere. Deren Klimawirksamkeit ist oftmals größer als die von Kohlendioxid. So hat eine Tonne Methan etwa die gleiche Wirkung wie 25 Tonnen Kohlendioxid. Bei der Angabe CO2e wird also die Menge aller Treibhausgase unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Klimawirksamkeit erfasst bzw. zugrundegelegt. Aus einer Tonne Kohlendioxid und einer Tonne Methan werden somit zusammen 26 Tonnen CO2-Äquivalent oder CO2e.
8 Siehe „Briefe“ 2020/4, S. 29.
Schöpfungszeit
BRIEFE-Abonnenten haben in den letzten Wochen einen Kalender #Schöpfungszeit2021 erhalten.
Wir freuen uns sehr auf Ihre Rückmeldungen und freuen uns, wenn Sie den Kalender in der Schöpfungszeit für sich,
für Ihre Gemeinde, für Gruppenarbeiten usw. nutzen.
Startschuss für #Schöpfungszeit2021
von Constanze H. Lattussek
Ab 1. September möchten wir Sie & Euch einladen zu Gedanken, Gebeten, Gesprächen und vielleicht auch kleinen Handlungen zum achtsamen Umgang mit der (Mit-)Schöpfung und unseren Mitgeschöpfen.
Im Mittelpunkt stehen Schlüsselnarrative zur Schöpfungszeit: Jeweils mit nur einem Wort möchten wir fast sechs Wochen lang dem nachspüren, was uns GUT, GENUG und GERECHT erscheint, wo und wodurch wir GEBUNDEN und GELIEBT sind und schließlich – passend zur Erntezeit– was uns GEGEBEN ist. Begleiten Sie uns dabei?
Der Ökumenische Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“ möchte mit diesem Kalender die Idee der Schöpfungszeit weiter verbreiten und stärken. Als Netzwerk von derzeit 31 kirchlichen Trägern (Landeskirchen, Hilfswerken, Bistümern, Akademien, Vereinen, Instituten, Stiftungen) möchten wir lernen und Impulse dazu geben, wie Kirchen zum Gelingen einer Großen Transformation beitragen können.
Das Redaktionsteam:
- Eva Baillie (Bistum Mainz)
- Debora D‘Ambruoso (Misereor)
- Jörg Göpfert (Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.)
- Dr. Ruth Gütter (EKD)
- Constanze H. Latussek (Ökumenischer Prozesses „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“)
- Annette Muhr-Nelson (Evangelische Kirche von Westfalen)
- Peter Schönhöffer (Kuratorium Stiftung Oekumene)
Wir verstehen uns als Denkraum, spirituelle Suchbewegung und Zukunftswerkstatt für Kirche und Gesellschaft und möchten zu einer neuen, transformativen christlichen Praxis finden und anregen.
Wir hoffen, dass auch dieses Projekt kleine Anregungen dafür liefert und freuen uns über Ihre Kommentare, Lob und Kritik an !
Viel Freude in der Schöpfungszeit!
Aufruf
„Weiter so“ geht nicht! (1) – Engagement der evangelischen Kirchen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit muss dringend verstärkt werden
Aufruf des Think Tank Nachhaltigkeit der EKD
Der Think Tank Nachhaltigkeit der EKD, in dem Vertreterinnen und Vertreter aus 12 kirchlichen Arbeitsfeldern sowie zwei kirchlichen Initiativen unter Vorsitz des im Kirchenamt der EKD verorteten Referats Nachhaltigkeit mitarbeiten, fordert von den Gliedkirchen der EKD mehr Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Der Think Tank Nachhaltigkeit stellt fest, dass in den Landeskirchen und in der EKD trotz guten Willens und vielfältigem Engagement die eigenen, selbst gesetzten EKD-weiten Ziele im Bereich Klimaschutz bislang leider nicht erreicht wurden. So kommt der vom Rat der EKD vorgelegte Klimabericht2, der im November 2020 der EKD-Synode präsentiert wurde, zu dem Ergebnis, dass das selbst gesetzte Klimaziel zur Reduktion der CO2-Emissionen von 40 % im Zeitraum von 2005 bis 2020 mit einer erreichten Reduktion von rund 29 % wahrscheinlich deutlich verfehlt wurde. Diese Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit untergräbt die Glaubwürdigkeit der Kirchen in der Debatte um gesellschaftliche Klimaschutzziele und schadet ihrer Rolle als „Mahner, Mittler und Motor“ einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 und für die sozial-ökologische Transformation. Der Think Tank begrüßt ausdrücklich das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz. Mit dem vom Gericht gelegten Fokus auf die Aspekte Generationengerechtigkeit und Freiheitsrechte zukünftiger Generationen ist nun die notwendige Voraussetzung für deutlich ambitioniertere Klimaschutzziele und die Umsetzung entsprechender Maßnahmen gelegt.
Darüber hinaus nimmt der Think Tank wahr, dass die besonderen aktuellen Herausforderungen der Coronakrise dazu führen, dass im Bewusstsein Vieler die Dringlichkeit der Klimakrise in den Hintergrund geraten ist. Jedoch sind beide Krisen global wirksam, und die ärmsten Länder und insbesondere die ärmsten Bevölkerungsschichten sind am stärksten betroffen. Daher sollte der Klimaschutz genauso ernst genommen werden wie der Kampf gegen COVID-19, auch wenn die Klimafolgen erst zeitversetzt, jedoch oft mit unumkehrbaren negativen Auswirkungen spürbar werden. Beide Krisen hängen zudem eng zusammen. Biologen und Epidemiologen warnen davor, dass solche Pandemien wie die aktuelle in Zukunft immer wieder auftreten können.3
Der Think Tank empfiehlt nachdrücklich:
- das Thema Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit als theologische und kirchliche Kernaufgabe des 21. Jahrhunderts in allen Strategieprozessen hoch zu priorisieren;
- bis spätestens zum Jahr 2050 Klimaneutralität anzustreben;
- bis zum Jahre 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 60 %, ausgehend vom Basisjahr 2005, vorzusehen;
- weiter die Umsetzung der Klimaschutzkonzepte voranzutreiben beziehungsweise dort, wo es noch keine solchen Konzepte gibt, diese unverzüglich zu erarbeiten;
- zu prüfen, ob die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes ein geeigneter Weg sein kann, um der Umsetzung der Klimaschutzkonzepte eine höhere Verbindlichkeit zu geben.
- Zur Koordinierung und Umsetzung von Maßnahmen und zur Erreichung der Klimaschutzziele sollten – auch nach dem Auslaufen der Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – dauerhafte Projektstellen zum „Klimaschutzmanagement“ in allen Landeskirchen eingerichtet werden.
- Um die notwendigen finanziellen Mittel über diese Projektstellen hinaus zur Verfügung zu stellen, sollten landeskirchliche Sonderfinanzierungsprogramme wie Öko- oder Klimaschutzfonds für verschiedene Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung eingerichtet werden. Hier ist zu prüfen, wie derartige Fonds für längere Dauer und mit guter finanzieller Ausstattung gewährleistet werden können.
„Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit Wege findet, innerhalb der ökologischen und sozialen Grenzen unseres Planten zu leben. ‚Weiter so’ geht nicht. In den Jahren vor uns muss die Transformation zu einem nachhaltigen Leben für alle gelingen“4 – heißt es in dem EKD Text „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“. Unsere Verantwortung vor Gott, vor den Opfern des Klimawandels, vor den künftigen Generationen und der Mitschöpfung fordert uns heraus, mehr zu tun als bisher. Klimaschutz und Nachhaltigkeit muss daher zu einer gemeinsamen prioritären Querschnittsaufgabe auf allen kirchlichen Ebenen werden. Zwar wird auch schon bereits jetzt vielfältig und systematisch gehandelt – jedoch reichen diese Anstrengungen bislang offensichtlich noch nicht aus.
Für den Think Tank Nachhaltigkeit:
Prof. Dr. Hans Diefenbacher, Beauftragter des Rates der EKD für Umweltschutz
Dr. Oliver Foltin, Projektbüro Klimaschutz der EKD
Dr. Ruth Gütter, Referentin für Nachhaltigkeit der EKD
Hannover/Heidelberg 10.5.2021
1 Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben. Die Agenda 2030 als Herausforderung für die Kirchen, EKD Text 130, 2018, S. 71, URL: www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ekd_texte_130_2018.pdf
2 Diefenbacher, Hans/ Foltin, Oliver/ Held, Benjamin/ Rodenhäuser, Dorothee/ Schweizer, Rike/ Vetter, Hannes (2020): Klimabericht für die Evangelische Kirche in Deutschland 2020. Hannover: Geschäftsstelle der Synode, URL: www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/07-TOP-VII-Klimabericht.pdf
3 Die Einschränkung der Lebensräume von Wild- und Nutztieren spielt dabei eine bislang viel zu wenig erforschte Rolle. In jedem Fall muss daher auch dem Verlust der Artenvielfalt wie der Abholzung der Wälder entschiedener entgegentreten werden.
4 EKD Text 130, S. 71
Aus der EKM
Wir wollen mehr Klimaschutz – Deshalb suchen wir Verstärkung
Ausschreibung von zwei Projektstellen ab Januar 2022!
von Kathrin Natho
Die Synode der EKM hat beschlossen, jeweils ein Klimaschutzteilkonzept in den Bereichen Mobilität und Gebäude zu erarbeiten. Fachlich betreut wird das Mobilitätskonzept von der Umweltbeauftragten der Landeskirche, Kathrin Natho und das Gebäudekonzept von der Referatsleiterin des Referates Bau, Elke Bergt. Ab Januar soll es für beide Bereiche personelle Verstärkung geben, die Stellenausschreibungen laufen derzeit.
Im Gebäudebereich sollen Vorschlägen erarbeitet werden, wie Klimaschutzmaßnahmen konkret aussehen und umgesetzt werden können. Von Energiesparmaßnahmen zu Möglichkeiten des nachhaltigen Bauens. Im Mittelpunkt stehen dabei Pfarr,- Gemeindehäuser und Verwaltungsgebäude.
Das Mobilitätskonzept soll den ländlichen und städtischen Bereich gleichermaßen in den Blick nehmen und für die kirchlichen Bedarfe angepasste Ziele und Maßnahmen beinhalten.
Für beide Bereiche suchen wir tatkräftige Menschen, die aktiv daran mitwirken wollen, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz im kirchlichen Kontext gestärkt werden, und die bei der Erstellung der beiden Klimaschutzkonzepte mitwirken.
Kathrin Natho
Beauftragte für Umwelt und Entwicklung der EKM
Tel.: 0391 5346395
Rezension
Starke Nachhaltigkeit
von Edmund A. Spindler
Wer sich mit der nachhaltigen Entwicklung und der Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft bzw. einer nachhaltigen Wirtschaft befasst, hat bei der Nachhaltigkeit meist das drei Säulenmodell (Ökologie, Ökonomie und Soziales) im Blick. Diese Betrachtung von außen ist vielen Experten inzwischen zu oberflächlich und nicht wirksam genug. Deshalb werden ganzheitliche Ansätze für die Transformation gesucht. Ein solches Werk liegt nun von Daniel Sieben vor, der sich schon in seiner Dissertation als Volkswirt mit Fragen der Nachhaltigkeit intensiv auseinandergesetzt hat.
Er wendet sich in seinem neuen Buch gegen die „Schein-Nachhaltigkeit“ und entwickelt auf gut 200 Seiten ein Transformationsleitbild, das den gesamten Menschen fordert: ökologisch, sozial, emotional und spirituell (ethisch). Mit dieser umfassenden metaphysischen Betrachtung führt er zu einem neuen tiefgründigeren Verständnis von Nachhaltigkeit und zu Maßnahmen, wie nachhaltiges Leben privat, gesellschaftlich und wirtschaftlich besser gestaltet werden kann. Das Buch kommt zur rechten Zeit; es liefert eine authentische und erkenntnisreiche Orientierung in einer Zeit des Umbruchs. Sehr zu empfehlen!
Tipp: Buch und Film
Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution
von Michael Schicketanz
Nach fast 30 Jahren ist dies für mich das erste Buch über die DDR-Umweltszene. Die ‚Unheimliche Leichtigkeit der Revolution’ wird dokumentarisch präsentiert. Fast 50 Leipziger sind namentlich erwähnt. Aber so viele waren es eben. Da komme ich als Leser leicht durcheinander. Im gleichnamigen Film (ARD, 2021) zum Buch sind viel Weniger beteiligt. Diese werden dann auch lebendiger dargestellt.
Ob Buch oder Film: Es ist anscheinend wirklich unheimlich leicht gewesen, die DDR-Regierung zu stürzen. Dabei war doch die Stasi überall an führender Stelle präsent, ob bei der ‚arche’, dem ‚Neuen Forum’ oder dem ‚Demokratischen Aufbruch’. Warum gelang es ihr trotzdem nicht, den Umbruch zu verhindern?
Spannender finde ich allerdings die Frage: Was empfinden damals Dabeigewesene bei der Lektüre des Buches bzw. beim Sehen des Films?
Klar, es geht um eine Gruppe junger Leipziger, und in Plauen, Rostock, Berlin und anderswo war es anders. So spielte ‚die Kirche’ in Magdeburg eine deutlich progressivere Rolle. In vielen Gemeinden war ich damals unterwegs und ganz selten wurde unser Engagement gebremst. Oft waren Mitarbeiter der Kirche führend mit dabei. Nun sollte ich wohl noch betonen, dass ich Buch und Film spannend und gelungen fand. Gibt es zu der Thematik weitere gute Bücher bzw. Filme?
Ergänzungen der Redaktion:
Zum Autor:
Peter Wensierski, geboren 1954, begann seine Arbeit als Journalist 1979 mit Berichten und Reportagen aus der DDR. Er war damals der jüngste westliche Reisekorrespondent. Als Dokumentarfilmer, Reporter und Buchautor berichtete er über die aufkommende Oppositionsbewegung. Er war auch regelmäßig Gast im Kirchlichen Forschungsheim.
Das Buch:
Peter Wensierski
Peter Wensierski
Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution.
Wie eine Gruppe junger Leipziger die Rebellion in der DDR wagte.
2017. 464 Seiten, mit Abbildungen,
Format: 13,5 x 21,5 cm,
gebunden,
Preis: 19,90 €
Der Film (Erstausstrahlung in der ARD am 26.4.2021):
Wenn Menschen ihre Angst verlieren, können sie Unglaubliches bewegen:
Sie sind jung, sie sind frech, sie verweigern sich dem System und fordern den Staat heraus. Sie wollen sich nicht mehr anpassen. Sie wohnen gemeinsam in Abrisshäusern, planen in langen Nächten am See ihre nächsten Aktionen, drucken heimlich Flugblätter, feiern in ihrer illegalen Nachtbar, bis der Morgen anbricht, und demonstrieren am Tag in der ersten Reihe. Sie werden verfolgt, aber mit jeder neuen Aktion verlieren sie ein Stückchen mehr Angst und die Diktatur an Kraft. Deutschland erlebt von Leipzig aus zum ersten Mal in der Geschichte eine gelungene Revolution. (ARD Ankündigung)
Der Film ist in der ARD-Mediathek verfügbar. Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution – Videos der Sendung | ARD Mediathek
Veranstaltungshinweis
Umweltdebatten im Schatten ihrer Geschichte
Selbstverständnis und Dialogfähigkeit der Umweltbewegungen von links und rechts
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in zwei Teilen
Die Diskurshoheit für Umweltfragen wird im Allgemeinen im linken politischen Raum verortet. Zunehmend sind aus dem rechten politischen Spektrum Rufe zu hören, die fordern, die „genuin konservative Ökologie“ als aufgegebenes Terrain wieder zu besetzen. Beides ist historisch nachzuvollziehen. Die inhaltlichen Konzepte stehen sich teils recht nahe, teils sind sie völlig konträr. Kann der Umgang mit ökologischen Herausforderungen einen Diskursraum zwischen Menschen verschiedener Weltanschauungen ermöglichen, der rechte und linke Kategorien verblassen lässt?
PD Dr. Nils M. Franke, Historiker, Kommunikationswissenschaftler und Privatdozent für Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig, führt am 04. September mit einem Vortrag in das Thema ein. Er verfolgt seit Jahren diese Problematik und forscht dazu. Am 11. September werden Wolfram Hädicke mit einem geistlichen und Siegrun Höhne mit einem thematischen Impuls eine moderierte Diskussion eröffnen, die nicht mit dieser Veranstaltung enden soll.
04. September 2021 | Sa. | 16.00 Uhr
Online-Vortrag
11. September 2021 | Sa. | 14.00 Uhr
Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt, Wittenberg, Schlossplatz 1d
Moderierte Diskussion
Es laden ein:
Pfr. i. R. Wolfram Hädicke und Siegrun Höhne,
Vorsitzender des Fördervereins und Leiterin der Studienstelle für
Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung (Kirchliches
Forschungsheim seit 1927)
Information und Anmeldung:
Kristin Grafe, , 03491/4988-45
Siegrun Höhne, , 03491/4988-33
Die Teilnahme ist kostenfrei.
Leserbrief
Mut zur Heimat
von Edmund A. Spindler
Gut durch die Coronazeit gekommen ist das neue „Jahrbuch Ökologie 2021“. Die Herausgeber haben offenbar die Zeit der Einschränkungen produktiv genutzt. In der neuesten Ausgabe wird das Thema „Ökologie und Heimat“ behandelt. Auf 247 Seiten gehen 22 Experten in 20 Artikeln der Frage nach: „Gutes Leben für alle oder die Rückkehr der brauen Naturschützer?“, wie es im Untertitel heißt.
Das Jahrbuch Ökologie gibt es jährlich seit 1992, zuerst im Verlag C.H. Beck, München und seit 2009 im Verlag S. Hirzel, Stuttgart. Die aktuelle 28. Ausgabe erscheint pünktlich und entspricht voll der Zielsetzung des Jahrbuches: Es ist ein hervorragend referiertes, sorgsam editiertes und gut verständliches Umwelt-Sachbuch, das gleichermaßen hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und wertvolle Anregungen für die Naturschutzpraxis bietet
(www.jahrbuch-oekologie.de).
Aus dem siebenköpfigen Herausgebergremium haben sich Jörg Sommer (*1963, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung), Pierre L. Ibisch (*1967, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde) und Achim Brunnengräber (*1963, Privatdozent an der FU Berlin) dem Thema „Heimat“ angenommen und das neue Jahrbuch in gewohnt gründlicher Weise konzipiert. Die ausgewählten Beiträge sind allesamt lesenswert, weil sie die Debatte anregen, wie Heimat gesehen, gedacht und gelebt werden kann. Deutlich wird, dass „Heimat“ ein ambivalenter Begriff ist, der höchst widersprüchlich genutzt wurde und angesichts rechtsradikaler Tendenzen immer noch genutzt wird. Der kulturellen Dominanz der Rechten beim Heimatbegriff setzen die Autoren die Philosophie der Aufklärung und den „Ökohumanismus“ (S. 243) sowie die These „von der Heimaterde zur Heimat Erde“ (S. 29) entgegen. Damit wird der Begriff der Heimat ökosystembasiert, d. h. dynamisch, weiterentwickelt und für die neue Erdepoche des Anthropozän im Sinne der Nachhaltigkeit neu positioniert und zeitgemäß interpretiert.
Äußerst lobenswert ist es, dass der kritische Beitrag von Jörg Sommer „Das diffuse Dreieck. Heimat, Kultur, Nachhaltigkeit“ im Jahrbuch Ökologie 2021 aufgenommen wurde. Er beschreibt kompakt auf sieben Seiten die groteske Gleichung „Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat“, die der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) 2019 als Ideenwettbewerb ausgeschrieben hat, und kommt zu dem Ergebnis: „An dieser Formel stimmt schlichtweg nichts.“ (S. 188). Diese Erkenntnis drängt sich jedem aufmerksamen Leser des Jahrbuches Ökologie 2021 auf und lässt den ansonsten sehr angesehenen RNE in diffusem Licht erscheinen.
Wer sich mit der deutschen Identität, der Heimatliebe, der Neuen Rechten und dem Wesen des Heimat- und Naturschutzes auseinandersetzen will, findet im Jahrbuch Ökologie 2021 eine Fülle kluger Gedanken und hilfreicher Antworten – sehr gut. Mehr „Heimat“ geht nicht!
Themenseiten – Der Fluss trägt die Last
Der Fluss trägt die Last
Das 4. Elbe-Symposium, das im März 2021 von der Evangelischen Landeskirche Anhalts und der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt verantwortet wurde, nahm Fragen und Probleme zur Wassersituation im Elbeeinzugsgebiet auf. Expertinnen und Experten diskutierten, wie das lebensnotwendige Wasser wieder in die Aue gelangen kann, um diesen wertvollen Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten. Zur Sprache kam ebenfalls, ob in Zeiten von Wasserknappheit und Trockenheit ein Anstieg von Gütertransporten auf der Elbe zu erwarten ist und wie die Tiefenerosion gestoppt werden kann.
Hier veröffentlichen wir das Grußwort des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Landeskirche Anhalts sowie einen Zwischenruf des Vertreters der Kirchen im Beirat des Gesamtkonzept Elbe (GKE). Dieses Gremium wird auf seiner nächsten Sitzung am 23. September 2021 ein wichtiges und strittiges Thema haben: das gerade beschlossene deutsch-tschechische Elbe-Abkommen:
Umweltschützer kritisieren deutsch-tschechisches Elbe-Abkommen
epd-Pressemitteilung vom 23.07.2021
Berlin (epd). Umweltschützer und die Grünen kritisieren ein am Dienstag (Anm. d. Red.: den 22. Juli) unterzeichnetes Elbe-Abkommen zwischen Deutschland und Tschechien. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnte am Freitag in Berlin vor einer Vertiefung der Elbe-Fahrrinne für Schiffe. Angesichts der jüngsten Hochwasserkatastrophe sei ein entsprechendes Abkommen unverantwortlich, erklärte der Umweltverband. Die Überschwemmungen hätten klar gezeigt: Flüsse brauchten mehr Raum statt ein enges Korsett.
Laut BUND plant Tschechien in dem Abkommen Fahrrinnentiefen von 2,30 Metern. In Deutschland hingegen werde nur eine Fahrrinne von 1,40 Meter angestrebt. Zudem will Tschechien eine seit langem geplante Staustufe nahe der deutschen Grenze umsetzen. Der tschechische Verkehrsminister Karel Havlicek habe ankündigt, die Elbe bis 2030 von Pardubice bis Hamburg schiffbar zu machen.
Die Grünen-Bundestagsfraktion sprach von einer „verheerenden Entscheidung“ und einer Realitätsverweigerung angesichts von mangelnder Schiffbarkeit durch Dürreperioden und dringend erforderlichem Hochwasserschutz. Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sei die Elbe eine Wasserstraße, kritisierte die Sprecherin für Naturschutzpolitik, Steffi Lemke. Ein Sprecher Scheuers wies die Kritik am Freitag zurück. Das Abkommen stehe im Einklang mit dem Gesamtkonzept Elbe, das mit den Umweltverbänden mühevoll ausgehandelt worden sei.
Hinweis der Redaktion: für weitere Informationen zum neuen Elbe-Abkommen können Sie sich an das ELBE-Projekt des BUND wenden. Kontakt: Iris Brunar, 0340/ 8507978 oder
4. Elbe-Symposiums der Evangelischen Landeskirche Anhalts
Seit 2014 ist die Elbe von Trockenheit und Dürre geprägt. Auf dem Fluss ist wegen langer Niedrigwasserzeiten kaum noch ein Schiff zu sehen. Die üblichen Frühjahrshochwasser sind in den letzten Jahren ausgefallen. Das Wasser erreicht immer seltener die Flussaue, die folglich trockenfällt. Die Tiefenerosion der Sohle verschärft diese Situation. Die artenreichen wasserabhängigen Lebensräume verschwinden; viele der alten Eichen haben sichtbar Schaden genommen oder sind schon abgestorben. Das Gesamtkonzept Elbe (GKE) ist vor vier Jahren verabschiedet worden, doch haben sich die damit verknüpften Hoffnungen auf Verbesserungen für Ökologie und Verkehr nur bedingt erfüllt.
Grußwort
von Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts
Bereits seit Jahrzehnten sind die elbanliegenden Landeskirchen mit Fragen zur Zukunft der Elbe befasst. Gemeinsam mit Bürgerinitiativen, Naturschutz-, Wirtschafts- und Tourismusverbänden, Parteien, Behörden und weiteren Interessierten geht es dabei um eine Balance zwischen der wirtschaftlichen Nutzung des Flusses als Verkehrsweg und berechtigten Ansprüchen des Naturschutzes; ist doch die Elbe einer der letzten frei fließenden Flüsse in Deutschland. Unstrittig ist eine seit Jahrhunderten andauernde wirtschaftliche Nutzung, die nicht zuletzt anhand der Häfen entlang der Elbe deutlich wird. Herausgenommen werden muss dabei die Unterelbe ab Hamburg, die mit ihren spezifischen Fragestellungen eines Hochseehafens differenziert zu betrachten ist.
Bereits vor einem Jahrzehnt hatte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland der Evangelischen Landeskirche Anhalts das Mandat erteilt, die genannten Fragen zur mittleren Elbe gemeinsam für die elbanliegenden Landeskirchen zu bearbeiten. Dazu trug unter anderem der Sitz des Umweltbundesamtes in Dessau mit seiner Expertise bei. Das nun vierte Elbe-Symposium mit dem Titel „Der Fluss trägt die Last“ will dezidiert einen anderen Schwerpunkt setzen. Waren bisher vor allem kontroverse Themen zwischen Ökonomie und Ökologie Schwerpunkte der Auseinandersetzungen, haben nicht zuletzt die Sommer der Jahre 2018 und 2020 gezeigt, wie die durch Trockenheit sinkenden Pegel gerade für die wirtschaftliche Nutzung vermutlich dauerhaft neue Maßstäbe setzen.
Die nun zentrale Fragestellung lautet, sowohl für die wirtschaftliche Nutzung als auch für Tourismus und Umweltschutz, das weniger werdende Wasser in der Fläche zu halten. Ehemals gegensätzliche Positionen sind angesichts dieser Entwicklung kaum mehr zu halten – vielmehr ist ein verbindendes und gemeinsames Grundanliegen zu konstatieren.
Die Nutzung der Elbe als Wasserstraße wird stets erneut in den Zusammenhang vertraglicher Verpflichtungen mit der tschechischen Republik gestellt. So sei es für die Bundesrepublik Deutschland verpflichtend, eine Mindestschiffbarkeit im deutschen Teil des Flusses sicherzustellen. Die Expertenmeinungen zu diesen Verpflichtungen sind divers. Die aktuelle Schaffung neuer Vertragsbindungen mit der tschechischen Republik muss daher einer öffentlichen Diskussion standhalten.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Wünsche nach einer Kanalisierung des Flusses durch Staustufen geäußert. Angesichts der topografischen Situation gerade der mittleren Elbe und der zu erwartenden degressiven Wassermengen erscheint diese Forderung unter keinen Umständen tragbar zu sein.
Für dieses vierte Elbe-Symposium waren auch Beiträge der politisch Verantwortlichen aus Bund und Land angefragt. Gerade die Stellung des Bundes wird den Meinungsaustausch des Symposiums leider nicht bereichern können, da wir kurzfristige Absagen dazu erhielten. Das ist bedauerlich.
Das heutige Symposium will versuchen, in einem Austausch unterschiedlicher Positionen eine gesellschaftlich tragfähige und langfristige Perspektive für die einzigartige Flusslandschaft zu suchen. Das „Gesamtkonzept Elbe“, das in den vergangenen im Gespräch miteinander entstanden war, war dazu ein wichtiger Meilenstein und bedarf unbedingt der Fortschreibung. Zudem sind die technischen Maßnahmen des Konzepts in der Umsetzung und bedürfen weiterer kritischer Begleitung. Die Sohlerosion ist dafür ein Beispiel.
Als Kirche sehen wir uns in einer letztlich durch den Glauben begründeten Schöpfungsverantwortung – keinesfalls treten wir an, eine gesonderte Expertise jenseits der beteiligten Gesprächspartnerinnen und -partner vorweisen zu können. Als gute Haushalter der wunderbaren Schöpfung Gottes möchten wir Gespräch, Diskurs und nötigenfalls auch kontroverse Debatten ermöglichen. Zu danken ist daher allen Beteiligten und vor allem der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Lutherstadt Wittenberg, die nicht nur das Thema seit langem begleitet, sondern dieses digitale Symposium auch erst ermöglicht hat.
In der Erwartung eines fruchtbaren Austausches und weiterführender Lösungen möge diese Zusammenkunft gelingen.
Zwischenruf zum 4. Elbesymposium am 27.03.2021
von Dr. Hans-Joachim Döring
Zwischenruf klingt ein wenig nach Parlament und Herbert Wehner, Hohes Haus und bissige Präsenz. Die Spontanität und Wehners Subjektivität kann dieser Zwischenruf, zumal im besten hybriddirekten Digital-Verfahren, nicht leisten. Doch Anmerkungen bzw. Beobachtungen zum gegenwärtigen GKE-Prozess aus der Sicht des Vertreters der Kirchen, immerhin seit 2014 dabei, möchte ich gern zum 4. Elbesymposiums beitragen.
1. Der Fluss braucht politische Aufwertung
Die Elbe braucht eine neue politische Inwertsetzung, gerade jetzt, in diesem Frühjahr. Das 4. Elbesymposium findet zum richtigen Zeitpunkt statt. Die Formulierung der neuen Elbepolitik und ihre Operationalisierung in den behördlichen Strukturen ist eine gesellschaftliche Aufgabe mit Wirkung auf den mitteleuropäischen Raum. Die anstehenden politischen, mentalen, haushälterischen, ökologischen und ökonomischen Transformationen in unserem Land sind weitgreifend und umgehen die Elbe nicht. Die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels machen uns wachsinnig.
Mit dem richtigen Zeitpunkt für dieses Symposiums meine ich: Unser Land steht nicht nur angebremst im Lockdown. Es steht vor allem vor großen Veränderungen. Das Land kommt in Bewegung. Bundestagewahlen stehen bevor. Wir haben keinen Lagerwahlkampf zu erwarten – Gott sei Dank – aber deutliche Richtungsangebote. Die demnächst möglichen Konstellationen bei der Regierungsbildung sind vielfältiger denn je. Die Formen zukünftiger Verantwortungswahrnahme und Gestaltungsmacht ebenso. Was für ein Glück! Was für Chancen!
Qualität und Wirkungsweise des GKE-Prozesses werden durch die Ergebnisse der Bundestagswahl im September maßgeblich mit beeinflusst. Die zukünftige Hausleitung des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) muss politische und behördliche Weichen so stellt, damit die innovativen Inhalte des GKE sich voll entfalten können. Entfalten oder den Status Quo verwalten ist die Hauptfrage, nicht die nach mehr Geld oder Personal. Beides ist im Flussverwaltungssystem des Bundes reichlich vorhanden. Mit innovativer Politik die Elbe aufzuwerten würde den Fluss entlasten.
2. Wie kam die Kirche zum Fluss?
Das ist schwer zu sagen. Der Fluss kam wohl auf die Kirchen zu. Vor 15 bis 20 Jahren muss das gewesen sein. Da begannen die Elbekirchentage, auch gerade hier in Dessau, ebenso das 1. Elbesymposium. Der Kampf der Elbeaktivisten für eine ökologischere Gestaltung konfrontierte auch die hoheitlich agierende Fluss- und Wasserstraßenverwaltung. Der Kampf war ein asymmetrischer; David gegen Goliath. Die ökologischen Notwendigkeiten und deren Diskussion in der Öffentlichkeit wuchsen schneller als die ökologischen Einsichten in der Flussverwaltung und deren juristische Vorgaben. An jedem Flusskilometer stand damals – wurde kolportiert – ein Flussbeamter. Denen standen lediglich zwei oder drei immer wieder befristete halbe Personalstellen bei den Umweltverbänden gegenüber. Allein deshalb war ein Dialog schwer. Ein Motto damals war „Die Elbe wird gesteinigt“ und Bagger wurden besetzt, weil keiner zum Reden kam. Die Kirche, jedenfalls in ihren besseren Teilen, hat ein Faible, einen Auftrag für die Schwachen und die, die es schwerer haben, gehört zu werden (Menschen wie Natur). Vor 15 oder 20 Jahren war das Umweltrecht mit seiner juristischen Bewertung von Schutzgütern noch nicht so präsent und ausgeprägt. In diesen stummen Zeiten boten kirchlichen Formen wie Themenkirchentage temporär Gesprächsangebote auf leidlicher Augenhöhe im an sich asymmetrischen Milieu. Strukturelle und diskursive Ungleichheit wurde auf Zeit aufgehoben. Das tat dem Elbe-Dialog gut und wurde in der Administration wahrgenommen. Als dann das GKE entworfen wurde, erinnerten sich einige, u. A. der Wasserstraßenabteilungsleiter des BMVI, Reinhardt Klingen, an diese mitunter knotenauflösenden Kommunikationsversuche bei den Kirchen. Reinhardt Klingen wandte sich an Kirchenprädient Liebig, dem Schirmherrn dieses Symposiums, und bat um Entsendung eines Vertreters oder einer Vertreterin. Vorgeschlagen wurde dann ich. So kamen die Kirchen zum GKE. Der überwölbende Auftrag der Kirche zur Bewahrung der Schöpfung, was durchaus mittels Verwaltungshandeln erfolgen kann oder auch mit angepasster Schifffahrt, ist der allgemeine Rahmen für dieses konkrete Engagement. Die Flusslandschaft, die wir Menschen nicht geschaffen haben, sondern die uns übergeben wurde, ist die schöpfungstheologische Begründung des Engagements und der Sorge der Kirche für die Elbe.
3. Alles im Fluss oder im Status Quo – zur Situation des GKE
Ich möchte heute zwei Punkte im gegenwärtigen GKE-Prozess zwischen Bewegung und Status Quo hervorheben und Unbehagen am gegenwärtigen Prozess zu formulieren.
Am Ende eines intensiven bis mühsamen dreijährigen Arbeitsprozesses auf weitgehend gleicher Augenhöhe von Verwaltung, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden formulierte das Beratergremium im Januar 2017 als Ziel des GKE-Prozesses für die kommenden Jahrzehnte: „Ziel ist, die umweltverträgliche verkehrliche Nutzung der Binnenelbe und die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der Erhaltung des wertvollen Naturraumes in Einklang zu bringen.“ (GKE S. 9). Damit war die Triumpf-Trikolore, manche sagen auch Tragik-Troika, gesetzt.
Die Reihenfolge, die Gewichtung, die Hierarchie schien deutlich: Schifffahrt, und damit die Hauptaufgabe der strukturstarken Wasserstraßenverwaltung, sah sich zuerst genannt, gefolgt von den Wasserrahmenrichtlinien mit den zwingenden gesetzlichen Vorgaben und dann kam die Ökologie und Erhaltung des Naturraumes, mit der schwächsten administrativen Struktur.
Doch eine andere Lesart ist möglich: die Konstante und der Kern dieses zusammengesetzten Zieles ist die Erhaltung des wertvollen Naturraumes, also die Ökologie mit ihren Notwendigkeiten. Damit ist der primäre Erhaltungsauftrag bezeichnet: Erhaltung des wertvollen Naturraumes. Davon abgeleitet ist die verkehrliche Nutzung als eine Variante, soweit sie im Einklang mit den Erhaltungszielen zu bringen ist. Das war das neue, dynamische und zeitgemäße Ergebnis des GKE. Dieser Ansatz sollte helfen, den jahrzehntelangen lähmenden Status Quo der Elbe-Gestaltung zu überwinden und den Evidenzen und Gegebenheiten gerecht zu werden.
Die unterschiedliche Lesart der Reihen- und Rangfolge im GKE-Kompromiss – im GKE-Schwur – wurde und konnte in den Nachsitzungen nicht ausreichend diskutiert werden. Seinerzeit verständlich, um nicht mit einem Kompromiss zu scheitern, der neue Projekte und Chancen gebären sollte. Somit war Unzufriedenheit zu erwarten.
Die Priorität der Erhaltung dieses wertvollen Naturraumes, der den gesamten mitteldeutschen Raum prägt, spiegelt sich – nach meiner Sicht – gegenwärtig nicht ausreichend im GKE-Prozess wider. Das produziert Unbehagen.
Dieser ökologischen Naturraumpriorität steht zurzeit der behördliche Auftrag des Status Quo der Wasserstraßenverwaltung zur prioritären Güterschifffahrtsabsicherung an der Elbe mit all ihrer materiellen, gesetzlichen und personellen Ausstattung entgegen. Der Tanker der Wasserstraßenverwaltung ist für die Herausforderungen an der Elbe und im GKE zurzeit noch nicht ausreichend modernisiert und flott gemacht. Bei allem individuellen Willen einzelner Mitarbeiter oder gar Abteilungen – ich bin weit weg, allein nur bei Umweltverbänden ein ökologisches Bewusstsein zu erkennen – trägt die Wasserstraßenverwaltung zurzeit nur eingeschränkt und zu zögerlich zur Erfüllung des GKE bei. Darum sehe ich die Notwendigkeit einer neuen politischen Ausrichtung in der Flusspolitik und im BMVI. Denn: Für den Ziel- bzw. Prioritätenkonflikt konnte bisher im GKE-Beirat noch keine ausreichende Methodik zum Thematisieren und Lösen erarbeitet werden.
Hinzu kommen die in den letzten Jahren auch verstärkt an der Elbe wahrgenommen Auswirkungen des Klimawandels. Dieser führt zu evidenter Wasserverknappung über lange Zeitläufe und damit verbunden zur verkehrsberuhigten Güterschifffahrt. Diese in den Auswirkungen neue drastische Klima-Situation konnte im GKE-Kompromiss, dessen Erarbeitung 2013 begann und im Januar 2017 endete, noch nicht ausreichend berücksichtigt werden. Eine kontinuierliche, gar ganzjährliche Sicherstellung der Fahrrinnentiefe von 1,4 Meter als Minimalwert für einen wirtschaftlichen Güterschifffahrtsbetrieb muss heute noch stärker als 2017 als unrealistischer Dauerwert für den gesamten Flussschlauch angesehen werden. Diese Fahrrinnentiefe steht in der Gefahr, zur unproduktiven und kostenintensiven Größe zu werden. Sie erhält stärker den alten Stauts Quo und nicht den wertvollen Naturraum der Elbe und ihrer Auen.
Aus meiner Sicht spiegelt die gegenwärtige Beirats- und GKE-Vollzugspraxis sowie die Umsetzung durch die Wasserstraßenverwaltung die verabschiedete Rangfolge, ihre Prioritäten bzw. Schutzziele nicht ausreichend wider.
Bei fast jedem der im Beirat vorgestellten Maßnahmepakete ploppen somit die nicht geklärten Rang-Widersprüche auf. Sie sind eine Quelle des Unbehagens, nicht nur bei den Umweltverbänden. Die Situation ist anstrengend und unbefriedigend.
Unbehagen spüre ich auch bei den Mitarbeitern der strukturstarken Wasserstraßenverwaltung, die in ihrem traditionellen Selbstverständnis der verkehrlichen Nutzung stark zugewandt ist und die die Erhaltung des Naturraumes nur als Variante – da wo halt möglich – versteht. Die Wasserstraßenverwaltung fühlt sich bei vielen ihrer Vorschläge im GKE-Beirat somit nicht verstanden und nicht gewürdigt, eher getrieben. Ihre Vorschläge befinden sich bisher auch – bis auf das Pilotprojekt zur Begrenzung der Sohlerosion bei Klöden, dass vor dem GKE begonnen wurde – weithin noch im Korridor des Status Quo.
Mein Zwischenfazit nach über fünf Jahren GKE: den Ziel- und Grundkonflikt der divergierenden Prioritäten – zumal unter den sich verstärkenden Klimawandeleffekten wie den erstaunlichen Anpassungsleistungen der Hafenwirtschaft längs der Elbe – kann der GKE-Beirat und damit der GKE-Prozess selbst nicht lösen. Es braucht eine veränderte Elbepolitik, vor allem durch das BMVI.
Es besteht die Gefahr, dass die GKE-Zielstellung mit seinem Kompromiss stärker lähmt als dynamisiert. Bei allem Unbehagen gibt es im GKE auch Lernschritte, Fortschritte und Respekt im persönlichen Miteinander der VertreterInnen der verschiedenen Handlungspakete und Themenfelder. Zudem war und ist das Land an der Elbe immer auch eine dynamische Kulturlandschaft, die vom Aushandeln, Kompromisse finden und Raum geben lebt. Dieser Tradition sollten wir uns verpflichtet fühlen.
Veränderungen sind in unserem Land möglich. Angesichts des kürzlichen Kohlekompromisses oder der plötzlichen Flexibilität der Autoindustrie bei der E-Mobilität müssen wir an der Elbe nicht pessimistisch werden. Nur etwas ungeduldig. Umbau ist möglich. Selbst im BMVI!
4. Ein Fluss ohne Transport
Die Güterschifffahrt an der Elbe – mit all ihren großen historischen Verdiensten um die Industrialisierung des mitteleuropäischen Raumes in den letzten 150 Jahren – steht vor einer großen Anpassungsaufgabe und hat nicht mehr die historische Priorität der zurückliegenden Jahrzehnte. Die güterverkehrliche Nutzung als abgeleitete Funktion der Flussnutzung wird sich immer stärker an den Erhaltungszielen für den Naturraum orientieren und ausrichten müssen. Das ist für mich eine Kernaussage des GKE-Kompromisses. Für diese Anpassung enthält das GKE-Papier auch konkrete Vorschläge wie den Richtungsverkehr ohne Schiffsbegegnung, dynamische Schiffsinformationssysteme, den Zugang zum Geodatennetz des Bundes – ich plädiere hier ins-besondere für einen Einsatz zwischen der tschechischen Grenze und Magdeburg – und die konsequente Nutzung des Elbe-Seitenkanals ab Magdeburg, die im GKE mit vorgesehen ist. Die für die Güterschifffahrt differenzierte Havelnutzung mit der Anbindung an das mitteldeutsche Kanalsystem kann hier Inspirationen liefern.
Die Auswirkungen des Klimawandels an der Elbe zeigen: Güterschifffahrt wird immer unökonomischer, unplanbarer und unrealistischer. Im Jahresdurchschnitt sind mitunter nur noch weniger als 50 Prozent fahrbare Tage an der Elbe zu verzeichnen. Die Elbe-Anrainer-Wirtschaft hat sich von der Transportform Güterschifffahrt ohne große Verluste emanzipiert. Die Häfen am Fluss haben sich gut als wasserstrassenunabhängige Logistikzentren etabliert und existieren nicht von der Elbe. Eine immer wieder zu würdigende Anpassungsleistung! Dem Hafen Magdeburg wird als Drehkreuz eine gute Zukunft bescheinigt. Das gegenwärtige und zukünftige Güterschifffahrtsaufkommen mit seinem kontinuierlich stark gesunkenen Transportvolumen bedarf einer realistischen und keiner romantischen Betrachtung. Dies hat Auswirkungen auf eine neue ökologische „Unterhaltungspolitik“ an der Elbe. Diese neue Unterhaltung- und Gestaltungspraxis wird ihr Kosten-Leistungs-Verhältnis entlang der Ziele des GKE ausrichten. Mit Steuergeldern wird man zukünftig keine unwirtschaftliche Güterschifffahrt und die Abwesenheit der Schiffe subventioniert können.
5. Die neue Flussgemeinschaft von Aue und Schlauch
Durch das GKE ist das Bewusstsein für die grundsätzliche Einheit von Flussschlauch und Auen gestärkt worden und weiter gewachsen. Es ist ein großer öffentlicher Erkenntnisgewinn zu beobachten: Fluss und Deich, Wiese und Wald gehören zusammen, wie „siamesische Vierlinge“. Diese wurden in historischer Zeit getrennt und werden nun durch Renaturierungs- und Revitalisierungsprogramme nach und nach wieder zusammengeführt oder ergänzt.
Die Maßnahmen zur Erhaltung des wertvollen flussnahen Naturraumes Aue sollte sich von der noch nicht ausreichend geklärten Flusschlauchpolitik unabhängig machen, ruhig vorrangehen, handeln und Projekte realisieren. Gute Beispiele sind das stattliche Naturschutzgroßprojekt Mittlere Elbe – Schwarze Elster (MESE), welches das Biosphärenreservat Mittlere Elbe mit Sitz in Dessau-Oranienbaum konzipiert und vorangebracht hat oder die ökologische Havelanbindung in die Elbaue bei Havelberg durch den NABU. Derartige Vorhaben setzen Aspekte des GKE konkret und langfristig um, bringen Wertschöpfung in die Region und ermöglichen Partizipation sowie Anerkennung für das Groß- und Gesamtvorhaben GKE vor Ort und im konkreten Umfeld. Die großen Umweltverbände sollten auch mutigere Projekte des gestaltenden Naturschutzes im Bereich des GKE übernehmen. Die vielen anstehenden Aufgaben würden von einer Trägervielfalt profitieren. Und: Ein kontinuierliches Engagement der Umweltverbände bei großen praktische Maßnahmen würde das gegenseitige Verständnis, das Verstehen und Einfühlen der Partner im GKE-Prozess fördern.
Die Bundesregierung sollte den Elbe-Anrainer-Ländern für ihre Naturschutzaufgaben im Fluss- und Auenbereich ausreichend finanzielle Mittel – auch als Anreize – zur Verfügung stellen. Nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und tatkräftig angepackt, können die im GKE formulierten Aufgaben unabhängig der „gewachsenen“ Einteilungen – hier Fluss, da Aue – umgesetzt werden. Die Länder müssen sich gezielter für ihre Aufgaben an der Elbe engagieren und für eine GKE-konforme Politik streiten. Die aus historischen Gründen verwaltungstechnisch getrennten Bereiche der Flussunterhaltung und der Auengestaltungen sollten mittelfristig nicht nur ökosystemisch, sondern auch administrativ zusammengeführt werden. Finanzielle und personelle Ressourcen können so ergänzend für die Wasserstraßenunterhaltung – bzw. Flussschlauchgestaltung wie die Auensanierung eingesetzt werden. Eine neue Fluss- und Auenpolitik schaffte Potentiale zur Konversion von Ideen und Mitteln.
Ich komme zum Schluss: Dass Motto „Dem Fluss die Lasten nehmen“ ist gut gewählt. Die Flüsse tragen auf ihren Armen die Last. Leidet der Fluss, leidet das Land. Das stimmt nicht nur für Mitteldeutschland. Ich hoffe, meine Beobachtungen sind hilfreich. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Autor ist Vertreter der Kirchen im Beirat des Gesamtkonzept Elbe (GKE)
„Der Fluss trägt die Last“
epd-Dokumentation zum 4. Elbe-Symposium erschienen
Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche Anhalts, 12.7.2021
Die Zukunft der von Trockenheit bedrohten Elbe stand im Mittelpunkt des 4. Elbe-Symposiums der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und der Evangelischen Landeskirche Anhalts am 27. März. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung digital statt und konnte im Live-Stream von der Öffentlichkeit verfolgt werden. Nun sind zehn Beiträge des Symposiums, das unter dem Titel „Der Fluss trägt die Last“ stand, in der Reihe „epd-Dokumentation“ des Evangelischen Pressedienstes (Frankfurt am Main) im Druck erschienen. Über die Zukunft des Flusses referierten und diskutierten Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Institutionen und Verbänden. „Wie schon bei früheren Elbe-Symposien wollten wir ganz unterschiedliche Positionen und Sichtweisen zusammenbringen, um gemeinsam dazu beizutragen, diese großartige Flusslandschaft, die akut gefährdet ist, zu bewahren“, sagt der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig.
Neben Grußworten von Kirchenpräsident Joachim Liebig und Staatssekretär Klaus Rehda (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt) enthält das Heft Beiträge von Dr. Alexandra Dehnhardt (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung), Brigitte Mang (Vorstand und Direktorin Kulturstiftung Dessau-Wörlitz), Guido Puhlmann (Leiter Unesco-Biosphärenreservat Mittelelbe Oranienbaum-Wörlitz), Elke Witt (Geschäftsführerin Regionaler Tourismusverband Welterberegion Anhalt-Dessau-Wittenberg), Stefan Kunze (Vorstandsvorsitzender Elbe-Allianz), Karl-Heinz Jährling (Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, Sachgebiet Ökologie) und Dr. Hans-Joachim Döring (Vertreter der Kirchen im Beirat Gesamtkonzept Elbe). Weiterhin ist eine Podiumsdiskussion mit Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Kees de Vries (CDU) und Ruth Goldhahn (BUNDjugend), moderiert von Johannes Graupner (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei), wiedergegeben.
Hintergrund
Seit 2014 ist die Elbe von Trockenheit und Dürre geprägt. Auf dem Fluss ist wegen langer Niedrigwasserzeiten kaum noch ein Schiff zu sehen. Die üblichen Frühjahrshochwasser sind in den letzten Jahren entfallen. Das Wasser erreicht immer seltener die Flussaue, die folglich trockenfällt. Die Tiefenerosion der Sohle verschärft diese Situation. Die artenreichen wasserabhängigen Lebensräume verschwinden; viele der alten Eichen haben sichtbar Schaden genommen oder sind schon abgestorben. Das Gesamtkonzept Elbe ist vor vier Jahren verabschiedet worden, doch haben sich die damit verknüpften Hoffnungen auf Verbesserungen für Ökologie und Verkehr nur bedingt erfüllt. Das 4. Elbe-Symposium nahm diese Fragen und Probleme auf. Expertinnen und Experten diskutierten, wie das lebensnotwendige Wasser wieder in die Aue gelangen kann, um diesen wertvollen Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten. Zur Sprache kam ebenfalls, ob in Zeiten von Wasserknappheit und Trockenheit ein Anstieg von Gütertransporten auf der Elbe zu erwarten ist und wie die Tiefenerosion gestoppt werden kann.
Bestellung des Heftes
4. Elbe-Symposium „Der Fluss trägt die Last“
epd-Dokumentation Nr. 26, Frankfurt am Main, 29.6.2021
Bestellungen über
Preis: 4,90 Euro / Heft zzgl. 2,50 Euro Versandkosten
Buchtipp
Die Elbe – Landschaft und Geschichte
Die Elbe ist beides – Natur wie Kultur. Hansjörg Küster, renommierter Ökologe und Autor vieler Bücher über die Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa und die Ostsee, erzählt in diesem reich bebilderten Buch von der Elbe als einem Produkt vieler natürlicher Faktoren und zahlreicher Veränderungen, die vom Menschen ausgingen. Dabei ist nicht nur an Städte und Baudenkmale zu denken, sondern auch an Schleusen, Veränderungen von Flußläufen, Häfen und Mühlwehre. „Elbe“, so lehren uns die Sprachwissenschaftler, bedeutet einfach „Fluß“. Als kleiner Bach kommt sie aus dem höchsten Mittelgebirge Mitteleuropas, dem nahe der Mitte des Kontinents gelegenen Riesengebirge. Der Bach schwillt rasch an und verläßt das Gebirge schon als ein Fluß. Um von Böhmen nach Sachsen zu gelangen, durchbricht er seltsame Gebirgsformationen, die immer wieder die Künstler inspirierten. In der Elbe spiegeln sich bekannte Burgen und Städte, der Schreckenstein und die Bastei, Dresden, Meißen und Wittenberg. Es gibt berühmte Parklandschaften an ihren Ufern, in Sachsen ebenso wie bei Wörlitz und Dessau. Unterhalb von Magdeburg fand die Elbe im Lauf der Jahrtausende sehr verschiedene Flußverläufe. Nachdem sie schließlich Hamburg, das „Tor zur Welt“, passiert hat, geht sie im wahrsten Sinne des Wortes fließend in die Nordsee über – wo genau, läßt sich kaum sagen.
Die Elbe hat wichtige Nebenflüsse, die ebenfalls vorgestellt werden, besonders die Moldau mit Prag, die Eger, die Saale mit der Unstrut, die Havel mit der Spree. Zum Elbraum gehört auch Berlin – ohne eine Verbindung zur Elbe hätte diese Stadt ihren raschen neuzeitlichen Aufschwung nicht nehmen können.
Hansjörg Küster ist Professor für Planzenökologie am Institut für Geobotanik der Universität Hannover.
Hansjörg Küster
Die Elbe
Landschaft und Geschichte
Gebundene Ausgabe
CH Beck Verlag
Preis: 12,95 €
ISBN: 978-3-406-56209-9
(Quelle: Thalia.de)
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