Das Bild ist ein Ausschnitt eines Andachtsbildes.
In unseren sortierten Leben ist kein Platz für Pandemien – bis sich das Nichtvorgesehene ins Leben bringt. Wir machen die Erfahrung, wie fragil unser Gefüge ist. Diese Erfahrung ist weder neu noch ungewöhnlich. Für die meisten Menschen in der Geschichte und in den meisten Weltgegenden bis heute ist sie vertraut. Nur für uns in unserer vermeintlich so gut eingerichteten Welt mit all den Versicherungen, festgelegten Richtlinien und geplanten Terminen ist sie verstörend. Dabei sollte sie doch eher eine Infragestellung des Selbstverständlichen sein.
Kunst und Religion waren von jeher darauf angelegt, den Ungewissheiten des Lebens zu begegnen, darin nach Halt zu suchen und Halt zu geben – besonders in bewegten Zeiten stärker und tragender als Paragraphen, Verträge und Versicherungen. Die Erfahrungen gerinnen und transportieren sich in (Sprach-)Bildern, die sich immer wieder neu interpretiert lassen. Damit gewinnen sie das Potential, mit der gegenwärtigen Wahrnehmung zu tanzen und weiterzuführen, weil sie Kraft und Ermutigung geben und Orientierung im und Vertrauen ins Sein.
Die Ausstellung Muttersprache sollte im letzten Jahr schon eröffnet werden. Geplant war eine Veranstaltung zum Vergleich der Lebensverhältnisse von Frauen in Ost und West. Die Tagung wie die Ausstellung waren konzipiert, doch konnten sie pandemiebedingt nicht stattfinden.
Aber die Bilder von Claudia Hauptmann mit ihrer ganz eigenen Sprache sind gemalt und die Akademie als Ort, wo wir uns der Sprache aussetzen, bietet einen neuen Kontext. Die Bilder eröffnen nun die Lutherstudientage zum Thema: Priestertum aller Gläubigen oder landeskirchliche Ordnung? Eine Konfliktgeschichte. In der Kirche ist das öffentlich gesprochene Wort von außerordentlicher Bedeutung und deshalb in gewisser Weise unter Aufsicht. Da ist die Einsicht nicht unwichtig, dass wir vor allem – wenn auch kulturell geprägt – durch unsere Mütter zur Sprache kommen – zur Muttersprache.
Und dass die Sprache der Bilder nicht unterscheidet in dogmatisch richtig oder falsch/ wahr oder nichtwahr, sondern mich vor die Frage stellen, ob sie im Moment zu mir sprechen oder nicht: Wir setzen uns den Bildern aus. Sie sprechen zu uns – und wir können sie hören. Sie sprechen zu uns – aber wir können sie nicht verstehen. Oder sie schweigen uns an. Sie begründen ihre eigene Ordnung im Gegenüber und zwischen der Künstlerin und uns als ein Drittes, Mittleres und Mittelndes.
Die Bilder von Claudia Hauptmann sind solche Mittelnde. Sie bringen religiöse Themen in einer Art zur Sprache, die uns neu fragen lässt. Uns neue Antworten abnötigt. Sie irritieren den Blick und sind damit
an den alten Themen oft mit einer intensiven und konfrontativen Aktualität.
Die Ausstellung, die wir in Zusammenarbeit mit der Galerie Artae aus Leipzig organisieren, wird am 29.10.2021 im Rahmen derLutherstudientage eröffnet. Wenn Sie an der Tagung teilnehmen, sind Sie dazu eingeladen. Sollten es die Corona-Vorgaben erlauben, wird die Vernissace öffentlich sein. Ansonsten können Sie die Ausstellung gerne besichtigen. Wenden Sie sich einfach an die Ev. Akademie. Und sollten Sie in Wittenberg zu Gast sein und einen Besuch planen, können Sie mich gern kontaktieren.