Diskurs

„(Un)vergessene Nachbarn“

(Un)vergessene Nachbarn
Grundlage für das Projekt - (Un)vergessene Nachbarn Foto: LMG Wittenberg

Nachdem Shaydon Ramey das Buch „(Un)vergessene Nachbarn“ ins Englische übersetzt hatte, beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler mit den Schicksalen der jüdischen Familien in Wittenberg. Mit dem Buch von Reinhard Pester, ehemaliger Mitarbeiter für Jugendarbeit und seit 2020 Gleichstellungsbeauftragter des Landkreises Wittenberg, entstand das Projekt „Gegen das Vergessen“. Dieses beschreibt das (einstige) jüdische Leben in Wittenberg.

Schülerinnen und Schüler des Luther-Melanchton-Gymnasiums führten hierzu ein Interview mit Reinhard Pester:

Anna: Wie kamen Sie dazu, das Buch zu schreiben?

Reinhard: Ich habe 1993 eine Reise nach Israel gemacht und das hat mich dort sehr inspiriert. Dort gibt es ein Tal der Gemeinden, wo ausgewählte Geminden aus Stein gehauen wurden und da ist auch unter anderem Wittenberg mit dabei. Allgemein wollte ich mehr über die Stolpersteine in unserer Stadt erfahren. Deswegen las ich in verschiedenen Katalogen nach und fand die dort geschriebenen Geschichten sehr bewegend und dachte mir: „Mensch, sowas bräuchten wir auch für die Stolpersteine hier“. Zusammen mit Mario Dietrich habe ich das Buch dann letztendlich 2016 veröffentlicht. Insgesamt steckten in diesem Buch zwei Jahre harter Arbeit. Und ein Jahr später, also 2017, veröffentlichten wir es ebenfalls auf Englisch.

Luca: Wie kamen sie an die ganzen Informationen der Familien?

Reinhard: Hauptsächlich durch die Kabus-Recherche. Aber auch durch Ruth Friedman und Doktor Erwin Gold mit seiner Doktorarbeit.

Anna: Hätten Sie gedacht, dass ihr Buch für so viele Schülerprojekte genutzt wird?

Reinhard: Also ich habe es mir auf jeden Fall immer gewünscht. Vor allem, dass damit gearbeitet wird.

Anna: Wollen Sie in der nächsten Zeit wieder bei weiteren Projekten mitmachen?

Reinhard: Ich stehe neuen Projekten natürlich offen zur Verfügung, da sie viel Spaß machen und man immer etwas Neues dazu lernt. Und natürlich bin ich durch meine Arbeit sowieso in Projekte involviert.

Lucy: In Coswig wurden ja letztens Stolpersteine gestohlen und das Flüchtlingsboot in Wittenberg wurde ebenfalls zur Zeit der Gedenktage der Reichspogromnacht angezündet. Sehen Sie da irgendwelche Zeichen?

Reinhard: Das kann man natürlich nicht aussschließen. Durch eure und auch andere Projekte wurde sehr viel Aufmerksamkeit erregt und es ist gut möglich, dass das manchen Leuten nicht wirklich gepasst hat. Aber solche Leute wird es immer geben und man sollte sich davon auf keinen Fall unterkriegen lassen.

Anna: Wir haben festgestellt, dass es ein paar kleine Unstimmigkeiten zwischen den Stolpersteinen und Ihrem Buch gab.

Reinhard: Ja, das habe ich auch schon mitbekommen. Die Stolpersteine lagen schon, als wir nochmal recherchiert haben und mit der Zeit wurden manche Daten aktualisiert, da die Hauptrecherchen aus den 80er Jahren stammten. Dazu kommt noch, dass es auch Namensgleichheiten gibt und somit sind leider kleine Unstimmigkeiten entstanden.

Lucy: Da die Stolpersteine im Boden eingebaut sind, gehen viele Leute, vor allem Wittenberger, an ihnen vorbei und wissen nicht einmal, dass diese überhaupt existieren. Was ist Ihre Meinung dazu?

Reinhard: Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Wir haben ebenfalls überlegt, es wie in München zu machen, das heißt die Denkmäler als Täfelchen anzuordnen. Aber wir haben uns dazu entschlossen, es so beizubehalten, wie es jetzt ist, da die Stolpersteine somit einen Wiedererkennungswert haben. Und wenn man die Stolpersteine erkennt, regen sie zum Denken an.

Anna: Haben Sie denn zu einem der Stolpersteine eine besondere Verbindung?

Reinhard: Ja, habe ich – Erwin Gold. Er ist einer meiner „Lieblinge“, da ich seinen handgeschriebenen Lebenslauf und seine Doktorarbeit durch das Archiv in Jena erhalten habe und das somit ein großartiger Fund war.

Reinhard Pester und Richard Wiener
Reinhard Pester (rechts) und Richard Wiener im Gespräch, Foto: LMG Wittenberg

„Unvergessene Nachbarn“

Pester, Reinhard: Unvergessene Nachbarn. Ein Rundgang zu den 30 Stolpersteinen in der Lutherstadt Wittenberg, Lutherstadt Wittenberg 2016.

Stelen und Steine

Durch die Stelen ist man gezwungen stehenzubleiben und sich damit auseinanderzusetzen, bei den Stolpersteinen bin ich einfach unbewusst drübergegangen.

Ein Teilnehmer bei den Stelen-Rundgängen am 08.11.2018

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