Diskurs

Einheit war keine Kolonialisierung

Kanzelrede von Markus Meckel vom 09. März 2025
Stadtkirche Wittenberg, Kanzelrede vom 09.03.2025

Die ersten Stunden einer demokratisch verfassten DDR waren gleichzeitig die letzten Stunden. In die bewegte Zeit des Übergangs zur deutschen Einheit gab Markus Meckel mit seiner Kanzelrede vom 9. März 2025 spannende Einblicke. Entschieden wandte er sich gegen ein falsches Geschichtsbild, wonach die Einheit den DDR-Bürgern Freiheit gebracht hätte und betont: „die von uns erkämpfte Demokratie und Freiheit hatte das Tor zur Einheit aufgestoßen und diese ermöglicht. Nicht Freiheit durch Einheit, sondern Einheit durch die Freiheit!“ Meckel, der als Außenminister der ersten frei gewählten Regierung der DDR mit Hans-Dietrich Genscher und den Alliierten die sogenannten „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ verhandelt hatte, erinnerte an die Abläufe, die zur Wiedervereinigung geführt hatten: „Die deutsche Einheit war das Ergebnis von Verhandlungen zweier gleichermaßen demokratisch legitimierter deutscher Staaten miteinander und mit den Alliierten des 2. Weltkrieges. In den institutionellen Abläufen war der Prozess der deutschen Einheit ein Akt der Selbstbestimmung der Ostdeutschen. Wir wurden zwar nicht immer gut und mit Respekt behandelt — da gäbe es manches zu erzählen. Aber wir waren nicht Objekt, sondern Subjekt. Und damit widerspreche ich dem Duktus vieler Gedenkreden genauso wie der Haltung vieler Ostdeutscher, die die Vereinigung als Kolonisierung beschreiben.“

Der Verfassungsprozess für eine demokratisch DDR sei weit gediehen gewesen, aber die Umstände haben den Beitritt zum Grundgesetzt nahegelegt. Das sei für viel enttäuschend gewesen und wirke bis heute nach. Meckel betonte aber zugleich in seiner Rede: „Ich kenne keine bessere Verfassung und möchte mit keinem Land tauschen.“ Dann überraschte er mit einem konkreten Vorschlag, den er der neuen Bundesregierung nahelegt: „Warum soll dies G[rund]G[gesetz] vorläufig sein, wie es der Artikel 146 immer noch sagt, wenn es heißt, dass es so lange gilt, bis sich das deutsche Volk eine Verfassung gibt? Deshalb schlage ich vor, dass wir in diesem Jahr durch Streichung des Artikels 146 das vorläufige Grundgesetz zu unserer dauerhaften Verfassung machen.“

Meckel beendete seine Rede mit einem Appell zum Krieg in der Ukraine, dem er durch das gewählte biblische Motto seiner Kanzelrede über die Freiheit viel Nachdruck verlieh: „Dem Recht des Stärkeren ist Einhalt zu gebieten und die Herrschaft des Rechts zu verteidigen. […] Sehr kurzfristig aber wird es darauf ankommen, für die Ukraine sofort alles, aber auch alles zu tun, um ihre Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen und ihre Zukunft in der EU und auch in der Nato vorzubereiten (wenn es die Nato dann noch gibt – sie ist jedenfalls kein Eigentum der USA!). Denn das Wort des Paulus gilt auch für die Ukraine: Zur Freiheit hat uns Christus befreit – so steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.“

Im Nachgespräch führte Markus Meckel dazu erläuternd aus, dass er pazifistische Einstellungen und Haltungen zustimmen kann und sich gut vorstellen könne, dass in vielen Konflikten dieser Welt eine gewaltfreie, pazifistische Haltung tatsächlich viel für einen dauerhaften Frieden bewirken könne, allerdings würde sich die Situation in der Ukraine für ein solches Vorgehen nicht eignen.

Die ganze Rede von Markus Meckel gibt es zum Download hier:


Die sehr gut besuchte Kanzelrede und das intensive Nachgespräch eröffneten die Reihe der Kanzelreden 2025. Die nächsten Kanzelredentermine, sowie vorangegangene Reden finden Sie hier:


Christoph Maier

Akademiedirektor und Studienleiter für Theologie und Politik
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