Die Stadt- und Pfarrkirche St. Marien ist die Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546) gewesen. Hier hat Martin Luther die berühmt gewordenen Invokavit-Predigten gehalten. Die vielfältige Geschichte der evangelischen Predigt, die sich auf das Wort der Bibel besinnt und die Herzen und Gewissen der Menschen anspricht, hat in der Wittenberger Stadtkirche als der „Mutterkirche der Reformation“ begonnen.
Seit vielen Jahren werden zu den Wittenberger Kanzelreden namhafte Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft, aus Kunst und Kultur, aus Wissenschaft und Politik eingeladen, um Worte und Gedanken zu äußern, die anstoßen, querdenken, verändern. Die Kanzelreden in Martin Luthers Predigtkirche wollen anregen und aufregen.
Im Jahr 2023 steht die Reihe unter dem Motto:
Sehnsucht nach Obrigkeit?
Martin Luther, von der Kirche exkommuniziert und vom Kaiser unter Reichsacht gestellt, kritisiert in seiner Schrift „Von der weltlichen Obrigkeit, wie weit man ihr gehorsam schuldig sei“ von 1523 den „langen Arm“ von Kirche und Staat. Neben einer Verhältnisbestimmung von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit formuliert Luther auch Kritik am Obrigkeitsgedanken: „Unter den Christen soll und kann keine Obrigkeit sein, sondern ein jeglicher ist zugleich dem andern Untertan.“ Wie stehen wir heute – 500 Jahre später – zu dieser optimistischen Einschätzung? Wie lässt sich in einer pluralistischen und auf Mitbestimmung
ausgerichteten demokratischen Gesellschaft das Verhältnis von Herrschen und Dienen, Beteiligung und Orientierung, Widerstand und Gehorsam überhaupt bestimmen?
3. September 2023 | So. | 11.00 Uhr
Sehnsucht nach Obrigkeit? – Wofür braucht man Staatskirchenverträge?
Kanzelredner: Bundesminister des Inneren a.D. Thomas de Maziére
Wenn man Martin Luther gefragt hätte, ob er es für sinnvoll hält, dass der Staat mit den Kirchen Verträge abschließt, was hätte er wohl geantwortet? Immerhin hat ein Teil der damaligen Repräsentanten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sich zur Reformation bekannt und das auch rechtlich gesichert. Die Staatskirchenverträge heute sind im Prinzip anerkannt, vielleicht nur, weil sie seit langem abgeschlossen sind. Thomas de Maizière, Minister der Verteidigung und des Inneren a.D. und Kirchentagspräsident wird sich mit der Frage beschäftigen, ob das auch für die Zukunft gilt.
22. Oktober 2023 | So. | 11.00 Uhr
Sehnsucht nach Obrigkeit? – 40 Jahre Schwerter zu Pflugscharen
Kanzelrednerin: Pfrn. Renate Höppner
Renate Höppner lebt seit 45 Jahren als Pfarrerin in Magdeburg. Von Anfang war sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Reinhard Höppner in den verschiedensten kirchlichen Gremien für Friedensfragen engagiert. Sie bewegt besonders die Frage: Wie konsequent kann Pazifismus gelebt werden, wenn Menschenleben durch Aggression gefährdet sind? Wie Gewaltlosigkeit leben im 21. Jahrhundert?