Diskurs

Ein guter Grund sich einzumischen

Kanzelrede von Ilko-Sascha Kowalczuk vom 14. September 2025

Über die Freiheit, die er meint, sprach am Sonntag, dem 14. September 2025, Ilko-Sascha Kowalczuk in der Stadtkirche zu Wittenberg. Mit prägnanten Sätzen nahm der renommierten Historiker, Publizisten und ausgewiesenen Kenner der Geschichte der DDR und des Kommunismus Stellung zu aktuellen Fragen: „Der Ausgang von „1989“ entscheidet sich gerade in der Ukraine […] noch heute glauben die meisten Ostdeutschen, sie hätten im Frieden gelebt. Die kommunistischen Staaten führten unentwegt Krieg gegen die eigene Bevölkerung, behaupten können sie sich nicht ohne Mauern entlang ihrer Grenzen, aber auch nicht ohne solche im Inneren. Nur Freiheit garantiert Frieden – ohne Freiheit gibt es keinen Frieden!“

Kowalczuk war im Rahmen der Kanzelreden 2025, die sich um die freiheitlich-demokratische Grundordnung drehen, nach Wittenberg eingeladen. Einem breiten Leserkreis ist er durch sein Buch „Freiheitsschock: Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute“ bekannt geworden. So ging es in seiner Kanzelrede um Freiheit, um die Grundlegung seines Freiheitsbegriffs, um persönliche Gründe, sich in dieser Art und Weise für gerade das Thema Freiheit zu engagieren. 

Der Einblick in seine Biografie und Familiengeschichte führte bis hin zur Begegnung mit Christen, die ihn nach seinem Bruch mit dem kommunistischen Staat auffingen. Ein Bibelwort prägte ihn fortan: „Alles ist mir erlaubt; aber das darf nicht dazu führen, dass ich meine Freiheit an irgendetwas verliere.“ (1. Korinther 6,12 | Gute Nachricht Bibel) 

Nach dieser Einleitung ging Kowalczuk genauer auf den Begriff der Freiheit ein, auch weiter biografisch durchzogen und begonnen mit der „Freiheitsrevolution“ von 1989. Immer wieder betonte er, dass etwa Frieden nur durch Freiheit möglich ist. Freiheit aber bedeute Verantwortung – Eigenverantwortung für das eigene Erleben und Gestalten der Möglichkeiten. Sie bedeute, sich „in seine eigenen Angelegenheiten“ einzumischen. Sie sei und bleibe eine Zumutung und Aufgabe. Die Wende 1989, die Freiheit brachte, sei bis heute nicht ans Ziel gekommen und gerade in diesen Tagen entscheide sich, ob sie sich und ihr Ziel der Freiheit doch noch durchsetzen kann.

Im Nachgespräch, bei dem sehr angeregt Rückfragen gestellt wurden, ging es um viele Facetten dieses Freiheitsbegriffs. Wie etwa kann die Kirche sich einbringen? Was sollte sie tun – gerade im Blick auf die anstehenden Wahlen 2026? Die Antwort Kowalczuks: Demokraten müssten sich ertüchtigen, sich im Alltag einzumischen. Und zugleich dürften sie nicht der Illusion unterliegen, alle überzeugen zu können. Das sei noch keinem System in der Geschichte gelungen. 
Auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine angesprochen benannte er den aus seiner Sicht wahren Grund für den Angriff und mörderischen Krieg: die Angst der russländischen Föderation vor dem Bazillus der Freiheit.
Die Gefahr, dass die Geschichte der Unfreiheit sich wiederholt, so eine weitere Nachfrage, sei größer als viele ahnen – nicht als Dublette, aber in ihren Mustern. Seine größte Sorge in der gegenwärtigen Entwicklung z. B. in den USA, aber auch in Deutschland und Europa: dass es keinen Widerstand gibt.
Und wie schon in seiner Rede zeigte Kowalczuk auf, dass Zivilcourage, wie sie von vielen für nötig gehalten und eingefordert wird, zuerst bei jedem selbst anfängt – in kleinen, alltäglichen Schritten und im persönlichen Eintreten für freiheitliche, demokratische Werte. Dabei sei jeder selbst in der Lage, etwas zu tun – bleibende Aufgabe um der Freiheit willen. 

Der Gottesdienst wurde liturgisch gestaltet von Pfarrerin Anne Brisgen und Pfarrer Christoph Maier sowie von Serena Schäfer an der Orgel. Die Moderation des Nachgesprächs hatte Diakon Wolfgang Nebel übernommen. 

Die ganze Rede gibt es zum Download hier:


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Christoph Maier

Akademiedirektor und Studienleiter für Theologie und Politik
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