Diskurs

Globaler Klimastreik in Wittenberg

Unterstützt durch die Jugendfonds
Foto: Fridays for Future Wittenberg

Schon fast einen Monat ist es nun her, dass Bürgerinnen und Bürger bei der Bundestagswahl mit ihrer Stimme über die nächste Regierung und damit über den Kurs der nächsten Jahre entscheiden konnten. Am Freitag vor dem Wahlsonntag, dem 24. September 2021, rief Fridays for Future (FFF) in Anbetracht der Klimakatastrophe und des daher notwendigen politischen Handelns zum globalen Klimastreik auf. In zahlreichen Städten in Deutschland und weltweit demonstrierten Menschen jeden Alters für konsequenteren Klimaschutz und forderten von der Politik die Einhaltung der 1,5°C-Grenze.

Klimastreik in Wittenberg

Auch in Wittenberg rief die FFF-Ortsgruppe zum globalen Klimastreik auf, organisierte Aktionen und einen Demonstrationszug, an denen schätzungsweise mehr als 150 Menschen teilnahmen. Die Aktionen auf dem Schlossplatz wurden mit Musik und veganer Verpflegung des Café Vlora begleitet. Unterstützt wurden die Aktivist:innen der Wittenberger Ortgruppe dabei durch die finanziellen Mittel aus den Jugendfonds, einem Projekt der Partnerschaft für Demokratie Wittenberg und der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, sodass die Verpflegung und das Werbematerial finanziert werden konnten.

Auf dem Schlossplatz wurden ab 15 Uhr zunächst Workshops u.a. zum Thema Recycling angeboten. Auch die Evangelische Akademie nutzte die Möglichkeit und stellte das Projekt Jugendfond vor, mit dem Ziel, die finanzielle Unterstützungsmöglichkeit bekannt zu machen und anwesende Jugendliche zur Partizipation zu animieren.

Uneinig im wie

Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion statt, an der, neben Vertretern der LINKEN und der IG BCE, die zwei Bundestagskandidaten des Wahlkreises Dessau-Wittenberg Sepp Müller (CDU) und Leonard Schneider (SPD) teilnahmen. Die Beteiligung der beiden Bundestagskandidaten fand ich persönlich sehr bezeichnend dafür, wie bedeutend klimapolitische Themen in der Bundestagswahl und in der kommenden Legislaturperiode sind. Der niedrige Altersdurchschnitt der Diskutierenden vermittelte zudem – so mein Eindruck – dass jungen Stimmen bei dieser Veranstaltung bewusst eine Bühne geboten wurde. Zwar wirkte die Podiumsdiskussion ohne richtiges Podium etwas improvisiert, dafür wurde aber umso mehr inhaltlich und unter Beteiligung des Publikums diskutiert. So ging es um diverse Themen und Maßnahmen rund um Klima- und Umweltschutz auf den verschiedenen politischen Ebenen wie der angestrebten Klimaneutralität, den Kohleausstieg und den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.

Der Konsens der Vertreter der demokratischen Parteien und Gewerkschaften wurde dabei recht schnell deutlich. Alle waren sich über die Existenz des menschengemachten Klimawandels und die daraus resultierende Notwendigkeit, effektiven Klimaschutz betreiben zu müssen, einig. Größere Uneinigkeit herrschte dagegen darüber, welche konkreten Maßnahmen dazu ergriffen werden müssten. Da die Diskutierenden ihre und die Position ihrer Parteien und Gewerkschaften vertraten, waren die teils deutlichen Unterschiede allerdings weniger überraschend.

Mehr Verkehrssicherheit und Klimaschutz durch ein Tempolimit?

Besonders kontrovers wurde beispielweise das Thema Tempolimit diskutiert. Sepp Müller (CDU) positionierte sich als Einziger entschieden gegen ein Tempolimit und begründete seine Position mit dem Argument, dass dies für weniger Sicherheit auf Autobahnen sorgen würde. Das sei im Vergleich der Unfallstatistiken mit den anderen europäischen Ländern deutlich erkennbar, in denen Deutschland gut abschneide. Die anderen Beteiligten, darunter Leonard Schneider (SPD), die sich für ein Tempolimit aussprachen, stellten die Kausalität dieser Annahme in Frage und führten die Sicherheitsunterschiede auf andere Faktoren wie die Straßenverhältnisse zurück. Tatsächlich sei laut Expert:innen wie Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und Verkehrswissenschaftler Gernot Sieg von der Universität Münster, der Vergleich mit anderen EU-Ländern diesbezüglich unpassend, da die Verkehrssicherheit von weitaus mehr Faktoren abhänge. Die konkreten Auswirkungen eines Tempolimits seien daher schwer einzuschätzen. Aus ökologischen Gesichtspunkten hingegen sei ein deutlicher Effekt erkennbar, da bei geringeren Geschwindigkeiten deutlich weniger des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid ausgestoßen werden würde. [1]

Es zeigt sich, dass an dieser Stelle und bei einigen anderen Aussagen wohl ein kurzer Faktencheck hilfreich gewesen wäre. Dennoch störte es meiner Meinung nach nicht, dass einige Streitpunkte bei der Podiumsdiskussion nicht eindeutig gelöst werden konnten. Denn schließlich hatte auch das Publikum die Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen und nutzte diese auch, um teils unschlüssige Argumente zu hinterfragen. Es überraschte wenig, dass vor allem Sepp Müller mit vielen kritischen Nachfragen konfrontiert wurde. Denn schließlich war es seine Partei, die seit 16 Jahren Teil der Bundesregierung war und die bisherige – meiner Meinung nach – defizitäre Klimapolitik zu verantworten hatte.

„One Solution! – Revolution!“

Im Anschluss an die rund einstündige Podiumsdiskussion, brach der Demonstrationszug vom Schlossplatz Richtung Kurfürstenring auf. Mit Schildern ausgestattet und begleitet von FFF-Demosprüchen wie „One Soulution! – Revolution!“ bewegte sich der Zug über den Kurfürstenring und die Collegienstraße in die Innenstadt, wo auch andere Bürger:innen auf das Anliegen des Klimastreiks aufmerksam gemacht wurden. Dabei erhielten die Demonstrierenden gemischte Reaktionen, unter die interessierten oder zustimmenden Blicke vieler, mischten sich auch das genervte Kopfschütteln anderer Passant:innen.

Foto: Fridays for Future Wittenberg

Ausblick

Resümierend war die Veranstaltung rund um den Klimastreik in Wittenberg dennoch durchaus gelungen und meiner Meinung nach insofern ein Erfolg, dass ein inhaltlicher politischer Diskurs mit aktueller Relevanz stattfand. So scheint auch das Ziel des Jugendfonds, Jugendbeteiligung und demokratische Partizipation zu stärken, erfüllt worden zu sein.

Ob der Streik auch in der Hinsicht erfolgreich war, dass sich die Forderungen der Klimaaktivist:innen im Wahlergebnis widerspiegeln, ist Ansichtssache. Doch dass weiter gestreikt wird, wie am 22. Oktober zentral in Berlin, zeigt, dass viele die Umsetzung einer ernsthaften Klimapolitik weiterhin anzweifeln. Auch Aktivist:innen aus Wittenberg fuhren deshalb nach Berlin. Ob und wann weitere Aktionen der FFF-Ortsgruppe Wittenberg stattfinden werden, ist noch offen.

Weitere Informationen zu den Jugendfonds sowie die Möglichkeit zur Beantragung sind hier zu finden.


[1] Gilbert, Max. #Faktenfuchs: Was bringt ein Tempolimit auf Autobahnen?. Bayrischer Rundfunk. 16.07.2021, (https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-was-bringt-ein-tempolimit-auf-autobahnen,SdEUSXg, eingesehen am 25.10.2021)


Schlagwörter: Jugend, Partizipation, Politik

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