Wenn ich durch ein Städtchen gehe,
Hat die Ordnung aufgehört.
Durch das Schuhwerk guckt die Zehe,
Was den Spießer sehr empört.
Rock und Hose sind zerrissen,
Und mein weißer Bart zerzaust.
Spießer, bin ich dein Gewissen,
Weil dir vor mir gar so graust?
Treffe ich dich auf der Gasse,
Klopfe ich an deine Tür,
Rümpfest du die Spießernase,
Spuckst verächtlich aus vor mir.
Gibst mir eine kleine Spende,
Denn dein Mitleid, das ist schmal.
Bist du gut gelaunt am Ende,
Predigst du mir noch Moral.
Sprichst von Arbeiten und Sparen,
Von Genügsamkeit und Fleiß.
Dinge, die du kaum erfahren
Und verabscheust, wie ich weiß.
Bin von deinen Weisheitssprüchen,
Dicker Spießer, nicht erbaut.
Lieber noch, mit dir verglichen,
Stecke ich in meiner Haut.
Henriette Haill,
mit freundlicher Genehmigung von Frau Michaela Pflügl-Haill.
Henriette Haill war eine Lyrikerin aus Österreich. Geboren wurde sie am 27. Juni 1904 und am 22. Februar 1996 starb sie in ihrer Geburtsstadt Linz. Zeit ihres Lebens lebte sie in einfachen Verhältnissen. Sie war Mitglied der KPÖ – im Verlag der Partei erschien auch ein Gedichtband „Befreite Heimat“.
Erich Hackl schieb über sie: Henriette Haill war in fünffacher Weise dazu bestimmt, von der literarischen Öffentlichkeit übersehen zu werden: aufgrund ihrer ärmlichen Herkunft; aufgrund ihrer kommunistischen Gesinnung; aufgrund ihrer Zuwendung zur geographischen wie sozialen Peripherie; aufgrund ihres Geschlechts; aufgrund ihrer Bescheidenheit.
Es gibt einige Gründe, sie wiederzuentdecken.