Als pragmatischer Optimismus mit therapeutischer Wirkung – so begegnet uns Hoffnung heute allzu oft in Kalendersprüchen oder Wellness-Ratgebern zur Selbstoptimierung. Hoffnung ist ein Alltagswort. Dabei gerät die politische, philosophische und anthropologische Dimension leicht aus dem Blick. Ebenso geht die Ambivalenz verloren, die mit dem Begriff verbunden ist.
Wie spannungsvoll Hoffnung ist, zeigt ein Gang durch die Begriffs-Geschichte.
Stand sie in der antiken Literatur neutral für ein Verhältnis der Menschen zur Welt – in der die Schicksalsgöttin über die Hoffnungen ohnehin immer wieder hinweggeht – wurde sie in den unterschiedlichen philosophischen Schulen als Leidenschaft oder Affekt immer wieder auch negativ konnotiert.
Im Christentum dagegen beginnt ihre Karriere als Tugend: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe – für Augustin sind Leidenschaften etwas gutes, wenn sie sich in rechter Liebe auf Gutes richten. Und die Hoffnung als Leidenschaft ist die Erwartung guter zukünftiger Dinge. Der Tugendgedanke wird in der mittelalterlichen Philosophie weiterentwickelt und in der Aufklärung dann wieder in Richtung Affekt oder Leidenschaft gedacht.
Neue Spannung erhält der Begriff im 19. Jahrhundert, wo Hoffnung in unterschiedlichen existenziellen Strömungen nun eben zum größten Übel (Nietzsche) oder zur christlichen Grundhaltung (Kierkegaard) wird. Und mit Blochs Prinzip Hoffnung wird sie im 20. Jahrhundert geradezu politisch.
Mit Auswirkungen und in Pervertierung bis heute. Wird doch angesichts des drohenden Klimakollapses die Hoffnung auf die technischen Entwicklungen als mögliche Lösung propagiert, deren gegenwärtigen Varianten uns in die Situation der Hoffnungslosigkeit geführt haben.
Und das führt zu der durchaus wichtigen Frage, was im Eigentlichen denn das Gegenteil oder das Gegenüber zur Hoffnung sei. Stehen sich in unterschiedlichen antiken Philosophien die Hoffnung als Leidenschaft und die Ratio gegenüber und wird ihr etwa in der Philosophie Spinozas die Furcht gegenübergestellt, werden wir heute wohl gegen das Prinzip Hoffnung das Prinzip Verantwortung setzen müssen. Hoffnung – ein ambivalenter Begriff.
Den Vortrag von Prof. Dirk Evers können Sie hier nachhören: