Für die Demokratie sind alle verantwortlich!
Siebtes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Gibt es einen Rechtsruck der Jugend in Deutschland? Im Superwahljahr 2024 haben sich die mediale Berichterstattung und gesellschaftliche Debatten auf Studien gestürzt, die dies nahelegen. Mit diesem Narrativ haben sich auch die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem siebten Fachgespräch zur Demokratie im Wahljahr 2024 beschäftigt.
„Das Wahlverhalten junger Menschen ist weitaus komplexer, als es manche Schlagzeilen nahelegen“, sagte Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin. Junge Wählerinnen und Wähler seien als Gruppe in sich so divers wie andere Alterskohorten auch. Ihr Wahlverhalten zeichne sich im Vergleich zu älteren Jahrgängen vor allem dadurch aus, dass es sprunghafter, durch mehr Experimentierfreudigkeit mit Kleinstparteien, sowie durch weniger ausgeprägte Parteibindungen gekennzeichnet sei. Hier gelte es anzusetzen, so Krippner: „Eine Demokratie muss in demokratische Bildung investieren. Vor allem die außerschulische politische Bildung mit ihrem Freiwilligkeitsprinzip ist kein Nice-to-have, sondern eine unumgängliche Investition in die Zukunft dieser Demokratie.“ Dass an diesem Bereich seit Jahrzehnten gespart werde, sei daher fatal. Man dürfe nicht der Erzählung aufsitzen, der Staat werde seiner Neutralität nicht gerecht, wenn er Demokratiebildung in und außerhalb von Schulen fördere: „Der Staat darf sich nicht hinter einer missverstanden Neutralitätsbehauptung verstecken. Selbstverständlich muss er die Voraussetzungen dafür schaffen, dass seine Bürgerinnen und Bürger verantwortungsvolle politische Entscheidungen treffen können.“
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, betonte, angesichts des geringen zahlenmäßigen Gewichts von Erstwählerinnen bzw. Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei es bemerkenswert, wie sehr sich die Berichterstattung gerade auf diese Gruppe konzentriert habe. Tatsächlich stelle es ein eigenes Problem dar, wie wenig Bedeutung für das Wahlergebnis diese Wählergruppe habe.
In einer immer älter werdenden Gesellschaft sei zu diskutieren, wie die Bedürfnisse junger Menschen stärker berücksichtigt werden könnten.
Dass stattdessen vor allem über einen vermeintlichen Rechtsruck der jungen Generation diskutiert werde, sende ein falsches Signal: „Hier bricht sich möglicherweise eine enttäuschte Hoffnung der älteren Generationen Bahn“, so Maier. „Jungen Menschen kann nicht aufgebürdet werden, was uns alle gleichermaßen betrifft. Für unser Gemeinwesen und die Hoffnung auf eine gute Zukunft tragen alle Generationen Verantwortung.“
Im Wahljahr 2024 debattieren die Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland monatlich in einem Fachgespräch mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen über den Umgang mit antidemokratischen gesellschaftlichen Tendenzen. Die Essenz dieser Gespräche veröffentlichen die Akademien als gemeinsame Stellungnahmen zur Demokratie.
Stephan Bickhardt, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt