Diskurs

Christlich geprägter Antisemitismus!?

Workshop mit dem Polizeiseelsorgebeirat Sachsen-Anhalt
11.-18.8.1991 Bundesland Sachsen-Anhalt Halle, alte Polizeiautos ("Barkas") und neue

Im Rahmen der beruflichen Weiterbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten organisiert Thea Ilse, Landespolizeipfarrerin und Beauftragte für Notfallseelsorge, regelmäßig Seminare zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Angesichts steigender Übergriffe und einer neuerlichen Bedrohungssituation für Jüdinnen und Juden lag der Fokus der Weiterbildung für den Polizeiseelsorgebeirat diesmal auf dem Thema Antisemitismus. Dem Polizeiseelsorgebeirat gehören Polizeibeamte aller Ebenen an – Streifen- und KriminalpolizistInnen, ebenso wie Bereitschaftspolizei, höhere Dienste in Führungsfunktionen oder PolizeipfarrerInnen. Projektmitarbeiter Vincent Kleinbub referierte am 15.11. zur Geschichte und Aktualität christlicher Judenfeindschaft und diskutierte mit den Beamtinnen und Beamten über deren Auswirkungen.

Vor dem Hintergrund der Debatte um die „Judensau“-Darstellung an der Wittenberger Stadtkirche rückte der Workshop eine Reihe antijüdischen Bilder und Erzählungen des Christentums ins Blickfeld. Gemeinsam sprachen wir darüber, was sie verbindet und unterscheidet, welche zentralen Stereotype ihnen zugrunde liegen und welche antijüdischen Motive des Christentums heute noch kulturell lesbar sind. Anders als andere Darstellungen christlicher Provenienz ist das Motiv, das Juden in Verbindung mit Schweinen bringt, heute nach wie vor für eine breite Masse als Beleidigung identifizierbar. Das hat zum einen mit der obszönen Bildgebung, zum anderen aber auch mit der bildlichen wie sprachlichen Tradierung des Motivs bis in die Gegenwart zu tun. Über eine Reihe von Fallbeispielen bekamen die Teilnehmenden einen Einblick in das Fortleben christlich geprägter Bilder und deren Integration in den modernen Antisemitismus. Im letzten Drittel des Workshops diskutierten wir schließlich den Umgang mit den Bildern heute. Verbunden damit waren die Fragen, ob die ca. 30 Plastiken und Reliefs an deutschen Kirchen vor Ort verbleiben sollten und wessen primäre Aufgabe es eigentlich ist, diese Bilder in besonderer Weise zu reflektieren und aufzuarbeiten.

Vincent Kleinbub

Mitarbeiter im Projekt „Bildspuren“ (2022 bis 2023)
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