Diskurs

Kino gegen Antisemitismus

Filmreihe in Dessau ist gestartet

Etwa 25 Zuschauerinnen und Zuschauer waren am Montag ins Kiez Kino nach Dessau gekommen, um sich Georg Wilhelm Pabsts „Der Prozess“ (1948) anzusehen. Der Film ist der erste von dreien, die noch bis Oktober in der Reihe „GegenBilder – Kino gegen Antisemitismus“ laufen. Die Filmreihe wird organsiert vom Verein „Film ab! In Dessau“ und dem Projekt „Bildspuren“, in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Sachsen-Anhalt. Vorgestellt werden drei cineastische Versuche, den Antisemitismus nach 1945 kritisch ins Bewusstsein zu heben und ihm entgegenzutreten.

Der nächste Film der Reihe:

5. Juni 2023, 19 Uhr, Kiez Kino (Dessau)
Tabu der Gerechten (1947)


G. W. Pabst: Der Prozess (1948)

Mit seinem ersten Nachkriegsfilm „Der Prozess“ nahm Pabst keine drei Jahre nach der Shoah eine scharfe Kritik am NS-Antisemitismus und der Beteiligung vieler deutscher an der sog. Volksgemeinschaft vor. Auf der historischen Folie eines antisemitischen Schauprozesses im 19. Jahrhundert inszenierte der Regisseur die gesellschaftliche Massendynamik, auf deren Grundlage sich die nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspraxis hatte vollziehen können. Die Anklage seines Films betraf ihn unterdessen selbst: Nach der Machtübernahme war Georg Wilhelm Pabst zunächst ins US-amerikanische, dann ins französische Exil gegangen, 1939 kehrte er für allerdings nach Österreich zurück. Nachdem eine Verletzung ihn an der Ausreise hinderte, blieb Pabst im Deutschen Reich – und drehte in den 1940er Jahren eine Reihe von Kinofilmen im Sinne des nationalsozialistischen Regimes. Vielen seiner KollegInnen galt der Regisseur in der Nachkriegszeit als Opportunist, dem man seinen Antifaschismus nicht abzunehmen bereit war. Gleichwohl kann „Der Prozess“ heute als eindrückliches Beispiel der frühen cineastischen Auseinandersetzung mit dem modernen Antisemitismus gelten – nicht zuletzt deshalb, weil mit Ernst Deutsch ein Schauspieler die Hauptrolle übernahm, der 1933 selbst vor dem NS-Antisemitismus geflohen war.

Vincent Kleinbub

Mitarbeiter im Projekt „Bildspuren“ (2022 bis 2023)
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