Diskurs

#VonWegenAnders: Kristin Heiß

Jugendpolitik Ost
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Was Jugendbeteiligung heißt, wo Jugendpolitik und junge Menschen in Ostdeutschland heute stehen und wie die Förderung in der Jugendarbeit zukünftig aussehen könnte, darüber sprach Tobias Thiel im März 2021 mit Kristin Heiß, Sprecherin für Jugend- und Haushaltspolitik der Fraktion Die Linke aus dem Landtag Sachsen-Anhalt. Es ging unteranderem um folgende Themen:

*in Klammern steht jeweils der Zeitpunkt, an dem der entsprechende Themenkomplex beginnt

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Jugendbeteiligung heißt Mitbestimmen (ab 1:30)

Jugendbeteiligung finde, laut Kristin Heiß nicht nur, aber auch viel in Jugendverbänden statt. Sie kritisiert, dass Beteiligung in vielen Fällen mit Anhörung verwechselt werde, dabei heißt Beteiligung vielmehr ein Mitwirken und Mitbestimmen. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Verbandsarbeit schildert sie, dass diese Mitbestimmung vor allem in Jugendverbänden möglich sei. Denn dort können Jugendliche in verantwortlichen Positionen beispielsweise auch über Geld und Personal entscheiden.

Das jugendpolitische Programm – Defizite im Jugendbereich (ab 3:40)

Das jugendpolitische Programm, welches 2021 fertiggestellt wurde, sei eine Empfehlung, was im Jugendbereich umgesetzt werden könne. Sie bedauere, dass dieses erst zum Ende der Legislatur komme und die aktuelle Regierung die Verantwortung zu dessen Umsetzung auf die nächste Legislatur verschiebe. Ähnliches sei auch bei dem Kinder- und Jugendbericht Sachsen-Anhalts mit dem Schwerpunkt Jugendpolitik der Fall, der einen guten Einblick in die Situation und Entwicklung junger Menschen ermögliche. Aus der Sicht der Gesprächspartnerin sei in der Jugendarbeit insbesondere in struktureller Hinsicht noch viel Ausbau- und Entwicklungsbedarf. Dies zeige auch der Bericht, in dem Defizite und Kritik, sowohl von Fachkräften als auch von jungen Menschen, deutlich werde. So gäbe es zu bemängeln, dass viele Angebote nicht erreichbar und teils nicht auf die Bedürfnisse der Jugendlichen abgestimmt seien.

Finanzierung und Fachkräfte im Jugendbereich (ab 6:43)

Auf die Frage, wie sie die Förderungssituation in Sachsen-Anhalt einordnet, betont Heiß, dass das vorhandene Geld nicht ausreichend sei. Zudem bestehe hinsichtlich der Geldverteilung zwischen städtischen und ländlichen Bereichen eine Ungerechtigkeit, die im ländlichen Raum eine große Herausforderung darstelle.

Die Finanzierung im Jugendbereich liege eigentlich in der kommunalen Verantwortung, sei aber von den Kommunen finanziell nicht zu stemmen. Daher sparen die Kommunen bei freiwilligen Leistungen ein, obwohl Kinder- und Jugendarbeit nach SGB VIII nicht unter diese zu zählen seien. Besonders deutlich zeigen sich diese Finanzierungsprobleme laut Heiß in dem schlechten Zustand der Jugendeinrichtungen. Auch der Fachkräftemangel sei im Jugendbereich sichtbar. Viele der Fachkräfte seien vergleichsweise alt und es gestalte sich aufgrund der schlechten Bezahlung sowie der Stellenbefristung schwierig, neue Arbeitskräfte zu gewinnen.

Umschichtung und längerfristige Förderung (ab 10:28)

Auf die Frage, wie Heiß ihre Forderungen im Jugendbereich finanzieren wolle, entgegnet sie, dass viele Gelder da seien, die in der vergangenen Förderperiode teils gar nicht abgeflossen seien. Das liege vor allem an den undurchsichtigen Förderprogrammen, die eine Beantragung erschweren. Es sei daher eine Umfinanzierung in der gerade neu gestarteten EU-Förderperiode möglich. Kristin heiß könne sich eine Förderung analog zu der Finanzierung der Schulsozialarbeiter aus ESF-Mitteln vorstellen.

Heiß schlägt außerdem ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz angepasst an das Bundesgesetz vor. Im dem Zuge solle auch Förderung weg von der Projektförderung hin zu einer längerfristigen und eher pauschalisierten Förderung verändert werden, sodass dadurch womöglich gar nicht mehr Geld notwendig wäre. Außerdem würde dieses Vorgehen mehr Sicherheit und Flexibilität für die Verbände schaffen.

Zusätzlich könne Geld, das in den vergangenen Jahren in anderen Bereichen nicht genutzt worden sei, in den Jugendbereich fließen. Abschließend betont Heiß, dass Jugendarbeit nicht messbar sein oder sich rechnen müsse. Allein die Stärkung junger Menschen und das Angebot zum Hierbleiben sei es wert, sich um Jugendarbeit zu kümmern.

Situation junger Menschen angesichts der demografischen Entwicklung (ab 14:38)

Der Jugendquotient ist in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den anderen Bundesländern am geringsten, folglich gibt es in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den anderen Bundesländern am wenigsten junge Menschen. Die Situation junger Menschen sollte allerdings differenziert betrachtet werden, denn im Vergleich von Stadt und Land gäbe es große Unterschiede. Während in den großen Städten dank der breiten Freizeit-, Unterhaltungs- und Ausbildungsmöglichkeiten mehr Zufriedenheit herrsche, seien junge Menschen in kleinen Städten eher unzufrieden. Hierbei spiele auch der ÖPNV eine zentrale Rolle, denn von ihm ist die Mobilität junger Menschen und die Erreichbarkeit von Jugendeinrichtungen abhängig.

In der Lebenssituation junger Menschen spielen, laut Heiß, in vielen Fällen auch Online-Welten eine große Rolle. Diese können Jugendliche einerseits näher zusammenbringen, anderseits bürgen sie Gefahren und Probleme wie Cyber-Mobbing. Es mangele angesichts dessen an der Vermittlung von Medienkompetenz und politischem Handeln vor allem im Bereich der Prävention.

Zudem äußert Heiß den Eindruck, dass die Jugend und die Situation junger Menschen in der Politik kaum Beachtung fände und das Interesse an der Jugend bei den meisten Politiker:innen eher gering ausfällt.

Beteiligung in Online-Welten – Gibt es Potenzial in Sachsen-Anhalt? (ab 19:55)

Auf die Frage, wie sie das Potenzial sozialer Medien und Online-Welten in Beteiligungsprozessen einschätze, räumt Heiß ein, dass dieses Thema in der Politik bisher keine große Rolle gespielt habe. Dennoch sehe sie großes Potenzial, insbesondere angesichts der Entwicklungen und Politisierung von Spielwelten. Dieses habe sich auch während der Corona-Pandemie gezeigt, die eine Umstellung und die Entwicklung digitaler Angebote vorangetrieben habe. Gleichzeitig müssen auch die technischen Voraussetzungen gegeben sein, die vor allem die unterfinanzierten Verbände vor Herausforderungen stellen.

In letzter Zeit seien bereits Entwicklungen in dem Bereich zu beobachten gewesen, aber es sei noch viel mehr möglich und die Politik hänge wie so oft hinterher. Heiß sieht dieses Thema als einen Schwerpunkt in der nächsten Legislaturperiode, in das einerseits Geld investiert werden müsse. Anderseits sollten in diesem Prozess junge Menschen und Verbände einbezogen werden, um tatsächliche Bedarfe und Möglichkeiten identifizieren zu können.

Demokratiefeindlichkeit unter Jugendlichen in ostdeutschen Bundesländern (ab 23:29)

Zu beobachten sei, dass junge Menschen zu den politischen Rändern tendieren und sich kaum für die politische Mitte interessieren. Einen Grund dafür sieht Heiß in der Prägung durch das Elternhaus und dem geschichtlichen Hintergrund. Zwar betreffe die Transformations- und Wendezeit die jungen Generationen nicht direkt, dennoch gebe es bei vielen weiterhin ein Interesse an der eigenen ostdeutschen Geschichte und Herkunft. Diese Erfahrungen haben ein Einfluss auf die Familie, die eigene Persönlichkeit und das Denken. Darüber hinaus, machen viele ostdeutsche Jugendliche und junge Erwachsene weiterhin negative Erfahrungen und begegnen Vorurteilen, durch die ihnen ein Minderwertigkeitsgefühl vermittelt werde.

An einigen Beispielen zeige sich zudem, dass die Politik diesbezüglich ein schlechtes Vorbild sei. Es sei ein Problem, dass die Zivilgesellschaft und zivilgesellschaftliche Akteure von konservativen Parteien als links verortet werden und in der politischen Debatte schlecht gemacht werden würden.

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Kristin Heiß in 60 Sekunden zur Situation junger Menschen in Sachsen-Anhalt

Schlagwörter: Jugend

Tobias Thiel

Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung
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