Diskurs

Das lange Leben eines Propagandafilms

Prof. Bill Niven vor Schülerinnnen und Schülern des Elisabeth-Gymnasiums Halle (© V. Kleinbub, Ev. Akademie)

Gemeinsam mit Professor Bill Niven (Nottingham Trent University) diskutierten am Donnerstag etwa 100 Schülerinnen und Schüler aus Halle über die Machart und Wirkung nationalsozialistischer Kinopropaganda. Anhand des Films „Jud Süß“ (1940) gab Prof. Niven den Jahrgangsstufen 11/12 des Elisabeth-Gymnasiums einen Einblick in die Entstehung antisemitischer NS-Filme und umriss deren Nachwirkungen über das Jahr 1945 hinaus. Mit dem Projekt „Bildspuren“ beteiligte sich die Evangelische Akademie an der Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung.

Im Lehrplan Geschichte der gymnasialen Oberstufe ist das Thema NS-Ideologie als fester Baustein vorgesehen. Weil die antisemitische Regimepropaganda sich jedoch nicht nur in Zeitungen oder Reden, sondern auch in der Unterhaltungskultur niederschlug, kommt der pädagogischen Auseinandersetzung mit Filmen wie „Jud Süß“ eine besondere Rolle zu. Anhand der Aufbereitung antisemitischer Erzählungen durch das Kino lässt sich der massenhaften Verbreitung des Antisemitismus, dessen perfider Logik, aber auch der Beteiligung vieler Deutscher an der NS-Volksgemeinschaftsideologie nachgehen. Darüber hinaus sensibilisiert die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Film für die Wirkweisen judenfeindlicher Bilder, von denen nicht wenige im gegenwärtigen Antisemitismus weiterexistieren.

Anhand ausgewählter Szenen führte der Zeithistoriker Prof. Bill Niven durch den Film. Neben einem kurzen Vortrag zur Entstehungsgeschichte von „Jud Süß“ ging er insbesondere den antisemitischen Inszenierungen auf den Grund. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler fragte er nach der Anschlussfähigkeit der Filmpropaganda für die Gegenwart, informierte über die antisemitische Rezeptionsgeschichte nach 1945 und diskutierte die Chancen und Risiken einer kommentierten DVD-Fassung, über die derzeit nachgedacht wird.

Das Zeigen von „Jud Süß“ unterliegt bewusst einigen Hürden. Als Vorbehaltsfilm klassifiziert darf der NS-Film nur in Bildungskontexten gezeigt werden. Er muss darüber hinaus mit einem wissenschaftlichen Kommentar versehen sein. Die Kooperationsveranstaltung war dementsprechend eng mit dem Unterrichtsprogramm der Schülerinnen und Schüler abgestimmt. Das Lehrerkollegium des Elisabeth-Gymnasiums wurde im Vorfeld informiert, die Veranstaltung selbst gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern vor- und nachbereitet. Mit Prof. Niven stand uns dabei ein exzellenter wissenschaftlicher Ansprechpartner zur Seite.

Die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt bedankt sich beim Elisabeth-Gymnasium Halle, namentlich bei Heike Böltzig und Thomas Dölle, für die gelungene Kooperation. Besonderer Dank gebührt Prof. Bill Niven für die Durchführung der Veranstaltung.

Bill Nivens Buch „Jud Süß – das lange Leben eines Propagandafilms“ (2022) ist über den Mitteldeutschen Verlag oder die Bundeszentrale für Politische Bildung erhältlich.

Die im Projekt „Bildspuren“ erarbeiteten Handouts zum Film können Sie hier ansehen:

Vincent Kleinbub

Mitarbeiter im Projekt „Bildspuren“ (2022 bis 2023)
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