Diskurs

Wohin mit dem Relief?

Workshop mit Kindern und Jugendlichen
Foto: CMelms/Ev. Akademie
Foto: CMelms/Ev. Akademie

Im Rahmen eines Projekttags der Kreuzbergeschule in Dessau kamen am 30. November Schülerinnen und Schüler der Siebten Klassen nach Wittenberg. Im Projekt „Alles Glaubenssache?“ der Evangelischen Akademien konnten sie mehr über Martin Luther lernen und sich mit der Reformationsgeschichte und der Stadt Wittenberg im 16. Jahrhundert auseinandersetzen. An der Stadtkirche wurden sie dabei auch mit den Schattenseiten der Reformation konfrontiert. Anhand des judenfeindlichen Schmähreliefs diskutierten wir in einem von der Projektstelle konzipierten und durchgeführten Workshop die Ursachen für Luthers Judenhass und sprachen über die Auswirkungen der christlichen Judenfeindschaft im Mittelalter und der Frühen Neuzeit.

Die Schülerinnen und Schüler hatten dabei auch die Gelegenheit, sich in die Debatte um den Verbleib des Reliefs einzumischen. Auf einer Meinungslinie konnten sie sich zu verschiedenen Aussagen positionieren. Sollte man das Relief abnehmen, weil sich viele Jüdinnen und Juden noch immer davon beleidigt fühlen? Oder ist es gut, dass das Bild an der Kirche hängt, sodass man sich vor Ort damit auseinandersetzen kann? Die Schülerinnen und Schüler lernten verschiedene Perspektiven auf diese Frage kennen und merkten schnell, dass es gute Gründe für beide Positionen gibt. „Kann man den Judenhass nicht auch thematisieren, wenn das Relief nicht mehr an der Kirche hängt?“ merkte einer der Schüler an. Ein anderer entgegnete, dass wenn man das Relief ins Museum verbringe, man dort Eintritt zahlen müsse. Deshalb sei es vielleicht doch besser, das antijüdische Bildmotiv an Ort und Stelle zu thematisieren.

Was die Schülerinnen und Schüler hier im Kleinen diskutierten, ist Thema in vielen Kirchengemeinden in Deutschland. Rund 30 sogenannte „Judensau“-Darstellungen finden sich heute noch an Kirchen und anderen Gebäuden. Bei der Frage nach dem richtigen Umgang mit ihnen gilt es einerseits die Betroffenenperspektiven wahrzunehmen, die lange nicht gehört worden sind, andererseits aber auch darum, die eigene christliche Vergangenheit und die Kontinuitäten christlicher Judenfeindschaft öffentlich zu thematisieren.

Vincent Kleinbub

Mitarbeiter im Projekt „Bildspuren“ (2022 bis 2023)
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