Diskurs

Kirche, Filterblasen und …

Eine Kurzandacht
Bubble Crasher - Raus aus der Filterblase
Bubble Crasher - Raus aus der Filterblase - Bild: bubblecrasher.de

Ich bin gerade mitten dabei das Crowdfunding für das Projekt Bubblecrasher vorzubereiten, was jeden Tag starten soll, wenn ich denn endlich alles ordentlich aufbereitet habe, der Kommunikationsplan steht und der Crowdfunding-Anbieter es freigeschaltet hat. Insofern spreche ich heute in der Andacht über Fitlerblasen – also solche Räume, die undurchlässig für Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen sind, die anders sind, als wir, als ich es gewohnt bin. Mit Begriffen wie „Echokammern und Referenzräumen“ ist da bei weitem nicht nur das Internet im Blick, sondern alle Bereiche unseres Lebens. Also habe ich mich im Netz umgeschaut, wer dazu schon eine Andacht oder Predigt gehalten hat.

Dabei bin ich auf die Abschlusspredigt des Kirchentages 2019 gestoßen, in die Sandra Bils mit dieser Episode startete:

„Letztens jemand beim Bier zu mir: Du Sandra, nimm’s mir echt nicht übel. Aber ich kann auch ohne Kirche. Also, es ist ja nicht so, dass ich nicht an Gott glaube. Aber dafür brauche ich keine Kirche! Eure Zeit ist irgendwie vorbei. Weißte?“

Und plötzlich war ich mitten in den kirchlichen Fitlerblasen, zu denen selbst ich mich oft nicht mehr zugehörig fühle. Nur selten gehe ich noch in Sonntagsgottesdienste. Es ist für mich der falsche Tag, die falsche Uhrzeit, oft der falsche Inhalt. Manchmal langweilt es mich oder ich halte es gar für Zeitverschwendung. Und doch war in der Corona-Zeit die Frage des Gottesdienstes so, ja viel zu, zentral für viele innerkirchliche Diskussionen. Von der Umsetzung bei Youtube bis zur Frage, ob durch das Fehlen Gemeinde stirbt. Dabei geht es mir so, dass Gottesdienst da wieder zum Gottes-Dienst wird, wo neue Formate ausprobiert werden. Die Taufe an der Elbe oder der Schuleinführungsgottesdienst unter Bäumen mit Biene-Maja-Predigt. Oder die Lieder bei einer Youtube-Andacht mit Landesbischof Friedrich Kramer, Kirchenmusiker Thomas Herzer und Pfarrer Frank Koine, die in der Schlosskirche Gospels und moderne Lieder singen. „We shall overcome“ und „we walk hand in hand – someday“ mitten im Corona-Lockdown, als wir möglichst niemanden berühren sollten.

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Das berührt mich. Da spüre ich die Geistkraft Gottes. Und zu noch viel mehr sind wir ja aufgerufen, wenn wir in die Welt gehen, also die oft beschaulichen, vergleichsweise geschlossenen Räume und Zeiten unserer Kirchen verlassen.

In Sandra Bils‘ Predigt ging es um den Spruch aus dem Hebräerbrief (10,35-36):

„Werft Euer Vertrauen nicht weg. Geduld habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.“

Dazu sagt sie:

„Wir leben in Umbruchzeiten. Wie die Gemeinde des Hebräerbriefes. Das Alte trägt nicht mehr und das Neue suchen wir – und das birgt so viel Chancen.

Mal angenommen. Nur mal rein hypothetisch: Wir machen ernst damit! Mit dem Vertrauen. Wir glauben Jesus, dass weder die Siegerurkunde der Bundesjugendspiele, noch der Body-Mass-Index, noch unser Gehalt oder das, was wir pflichtbewusst auf die Reihe kriegen, über uns entscheiden. Wenn wir ihm das glauben, dann sind wir frei.

Nur mal angenommen. Wir würden das echt durchziehen. Dieses Vertrauen, diese Unerschrockenheit aus dem Glauben.“

Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, damit wir uns sehen. Er gab uns den Auftrag, hier auf dieser Welt in seinem Sinn zu bestehen:

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Bei der Suche nach dem Umgang mit Filterblasen bin ich aber auch auf ein ganz konkretes anderes Beispiel gestoßen: Pfarrer Ramon Seliger beschreibt, in einer Andacht für die Online-Kirche mit dem Titel „Liebe Deine Feinde – sogar auf Facebook„, wie er Filterblasen platzen lässt. Eine Antwort auf einen Post von ihm ärgert ihn sehr. Und nicht nur das, der Beitrag ist menschenfeindlich. Er löscht ihn aber nicht, sondern nimmt sich eine Auszeit. Und dann kommt ihm die Idee, dass genau mit dieser Antwort jemand seine Filterblase platzen lassen hat und dass das eine Chance auch für ihn, dass ein Mensch, der offensichtlich in ganz anderen Filterblasen lebt, ihn hört. Hier kann er den Dialog wirklich führen, den er gesucht hat:

Ich schreibe klar und deutlich zurück: „Ich bin NICHT Ihrer Meinung und WIDERSPRECHE Ihnen entschieden.“ Und ich schreibe noch etwas: „Ich werde also Ihren Aufruf weder unterschreiben noch weiter verbreiten. Ich werde ihn aber auch nicht löschen, weil es mir um die Debatte geht und wir verschiedene Meinungen aushalten und diskutieren müssen.“

Manchmal ist Liebe auch streng. Und klar. Und konfrontativ.

Lasst uns diese Liebe leben und das mit dem Segen Gottes tun!

Da ich heute eher kitschige Interpretationen der Lieder ausgewählt habe, nehme ich auf für den Segen eine solche Interpretation des irischen Segenswunsches „Möge die Straße uns zusammenführen“:

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Gedanken von Tobias Thiel für eine Andacht für das Akademie-Team am 17.9.2020.

Tobias Thiel

Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung
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