Gedanken zum Ewigkeitssonntag
Leben ist Einüben ins Loslassen. Wir alle wissen, dass unser Leben enden wird. Mit diesem Ende leben wir. Wir leben darauf hin und zu – ob wir es uns bewusst halten oder nicht. Und es gehört zur Lebenskunst, dieses Loslassen im Letzten einzuüben. Sokrates – wie Platon ihn uns vorstellt – ist dafür ein eindrücklicher Zeuge.
Ewigkeitssonntag – das heißt aber: Nicht wir sind die Gegangenen. Wir leben. Wir machen uns bewusst, dass auch wir sterben werden. Wir erinnern die, die gestorben sind – denn wir sind die Lebenden. Und wir müssen mit unserer Trauer – und vielleicht auch mit unseren Schuldgefühlen oder unserem Versagen leben.
Auch das gilt es einzuüben – Menschen, die wir lieben und die uns wichtig sind, gehen lassen, wenn sie gehen müssen oder wollen, um ihnen den Weg leicht zu machen.
Dazu ein Gedicht von Charlotte van der Mele aus dem Buch mein lavendel trägt schwarz mit freundlicher Genehmigung:
vom gehen
einen rosmarin
für deine tränen
pflanze ich dir
und lege dir
dein schwarzes
kleid bereit
und halte
deine hand
und deine trauer
zum abschied
oh deine angst
meine reise beginnt
dir bleiben farben
und tag
und welt
und nacht
sterne singen dir
und ich mit ihnen
nur meine angst
um dich
hält mich noch fest
es ist zeit
bitte
lass mich los
geliebte