Diskurs

BRIEFE 3/2022

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich beim Schreiben aus dem Fenster sehe, leuchten mir die bunten Herbstfarben der Bäume im Luthergarten entgegen. Menschen sitzen auf den Bänken und genießen die späte Herbstwärme. Gut so. Denn in vielen Gesprächen und in den Medien dominieren Ängste und Sorgen vor Kälte in den Wohnungen, Büros und auch in den Kirchen, vor Inflation, Insolvenzen, vor Black Outs und gestörter Versorgung …

Unsicherheit und Ratlosigkeit machen sich breit, Menschen suchen Schuldige. Am Reformationstag waren Demonstrationen, Aktionen und sogar Fackelmärsche für Wittenberg angemeldet. Die Sprache und der Umgang miteinander werden noch rauer. 

Um so wichtiger erscheint es mir, Menschen immer wieder einzuladen: zum Austausch, zum Gespräch, zu gemeinsamen Erfahrungen und zum gemeinsamen Feiern, ohne Bekenntniserwartung und Bekehrungsversuche. Das versuchen wir hier im Haus und ich erlebe regelmäßig, dass solche offenen und (bei aller Strittigkeit im Inhaltlichen) freundlichen Begegnungen dankbar angenommen werden. Gerade wenn die Kultur des Miteinanders nicht mehr selbstverständlich ist, müssen wir sie üben. Immer wieder.

Diese Extra-Ausgabe der BRIEFE umfasst ganz praktische aktuelle landeskirchliche Energiespar-Empfehlungen, den Hinweis auf die EKD Klimaschutzrichtlinie, Neues zum Thema Photovoltaik auf Kirchen und anderen kirchlichen Gebäuden sowie Beiträge, die zeigen, dass weder Kernkraft noch Fracking eine gute Idee für den Umbau der Energiesysteme sind. Für Ihre konkreten Anfragen zu diesen und benachbarten Themen stehen die Ansprechpartner/innen der Landeskirchen/ des Bistums zur Verfügung.

Bleiben Sie behütet und froh!

Ihre Siegrun Höhne

Geistliches Wort

Bäume
Predigt zu viert

von Michael Beintker

Es sollen jauchzen alle Bäume im Wald vor dem HERRN,

denn er kommt, um die Erde zu richten. (1. Chronik 16,33)

Herr Beintker: Unser Predigttext ist der Spruch für den Monat August. Er stammt aus einem Danklied des König Davids im 1. Buch der Chronik: Es sollen jauchzen alle Bäume im Wald vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten. (1. Chronik 16,33) Liebe Gemeinde aus Borghorst, Burgsteinfurt, Horstmar, Laer, Leer und von wo auch immer Sie zu diesem Gottesdienst hergekommen sind – auch die Natur feiert Gottesdienst, das tun nicht nur wir. Die Strophe aus dem Danklied des Königs Davids, in der das Wort für diese Predigt steht, sagt es so:

Frau Becker: Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich,
und man sage unter den Völkern, dass der HERR regiert!
Das Meer brause und was darinnen ist,
und das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist.
Es sollen jauchzen alle Bäume im Wald
vor dem HERRN; denn er kommt zu richten die Erde.

Herr Mertins: Das Brausen des Meeres können wir uns ja noch vorstellen. Aber einen Himmel, der lacht, und eine Erde und erst recht ein Feld, das fröhlich ist? Und Bäume die vor Gott jauchzen und sich auf sein Gericht freuen? Was ist das denn für eine Veranstaltung? Wenn die Bäume des Waldes Stimmungen zeigen könnten, müssten sie eigentlich weinen. Aber auch das Weinen dürfte vielen von ihnen schon vergangen sein. Fahren Sie nur mal auf der A 44 nach Kassel. Sie wird kilometerweit von toten Fichten gesäumt, vertrocknet wegen fehlenden Regens und der Fresslust der Borkenkäfer.

Frau Beintker: Warum gleich so negativ? Auch zu Davids Zeiten hatten es Bäume nicht eben leicht. Grund zum Weinen hatten sie auch dort. Sie waren knapp und wurden ohne Rücksicht auf Verluste zu Baumaterial und Brennholz verarbeitet. Und ringsum trockene Wüsten. Andererseits traute man ihnen zu, dass sie vor Gott in Jubel ausbrechen und auf ihre Weise Gott loben können. Sie galten als seine Geschöpfe, geschaffen mit den Pflanzen am dritten Tag der Schöpfung. Das Paradies erfreute sich ihres Schattens. Und mitten im Paradies stand dieser ganz besondere Baum – der „Baum des Lebens“.

Frau Becker: Davids Lied lässt die Bäume des Waldes vor Gott jubeln. Ich finde das sehr interessant. Damit bringen sie doch ihre Freude an ihrem Schöpfer zum Ausdruck. Es wird deutlich, dass nicht nur der Mensch, sondern auch die Natur eine Beziehung zu Gott hat. Die Bäume feiern ihn. Deshalb finde ich es nicht übertrieben, wenn man sagt: Die Bäume feiern Gottesdienst – das Rauschen ihrer Blätter könnten wir als eine Liturgie der Natur hören.

Herr Mertins: Ich erinnere mich an Leute, die ihr Fehlen im Sonntagsgottes-dienst damit begründeten, dass sie ihren Gott in der Natur finden und deshalb nicht zur Kirche kommen müssen. Ihre Kirche sei der Wald; richtiges Waldbaden ersetze jeden Kirchgang. Mit der Erbauung, die sie dort fänden, käme keine Sonntagspredigt mit. Ich fand diese Argumentation immer etwas eigenartig. Kann man sich dafür auf die Bäume berufen?

Herr Beintker: Na ja, um den Gottesdienst der Bäume zu erfassen, sollte man erst einmal den Gottesdienst in der christlichen Kirche kennen. Waldeslust ist kein echter Ersatz für abhandengekommene Kirchenlust. Wir können mit den Bäumen nur Gottesdienst feiern, wenn wir unsere Lieder anstimmen und unsere Gebete sprechen können. Die Sprache der Blätter verstehen wir nicht, um zu hören, was die Bäume Gott singen und sagen wollen. Wohl aber können wir sagen, dass die Bäume an diesem Gottesdienst am Bahnhofscafé beteiligt sind, und wir können sie als Mitfeiernde begrüßen. Hallo, ihr Bäume! Wie schön, dass ihr unsere Lieder und Worte mit dem Rauschen eurer Blätter verstärkt!

Frau Beintker: Wenn wir die Bäume des Waldes sogar als Kirchenmitglieder betrachten könnten, brauchten wir uns um die Zukunft der Kirche nicht mehr zu sorgen. Die letzte Waldzählung kam zu dem sensationellen Ergebnis, dass in Deutschlands Wäldern rund 90 Milliarden Bäume stehen. Dabei sind die Bäume in den Parks, Baumschulen, Obstplantagen und Gärten noch gar nicht mitgerechnet. Das ergäbe eine phantastische Verstärkung der Kirche, die jeden Vergleich sprengt. Was sind 44,9 Millionen Christen in Deutschland im Vergleich mit 90 Milliarden Bäumen? Vielleicht sollten wir sie darum bitten, dass sie mit ihren Blättern in bisschen kräftiger für die Zukunft der Kirche rauschen und sich dabei auch noch von Gott erhören lassen.

Herr Mertins: Ich denke, dass die Blätter der Bäume in einer bestimmten Hinsicht tatsächlich für die Zukunft der Kirche rauschen. Mit allen Pflanzen rauschen sie nämlich und betreiben Fotosynthese, indem sie das Kohlendioxyd aufnehmen und in Sauerstoff und Zucker verwandeln. Ohne ihr Grün könnten wir nicht atmen. Ohne sie gäbe es auf dieser Erde kein Leben. Das Symbol dafür ist in der Geschichte vom Paradies der „Baum des Lebens“.

Frau Becker: Es geht noch weiter: In der Bibel sind die Bäume auch ein Symbol für das Leben im Glauben. Nach oben zum Himmel emporstrebend und in der Tiefe verwurzelt, um Wasser aus dem Boden zu ziehen und sich im Sturm möglichst fest zu verankern. Gleich im ersten Psalm wird der Gerechte mit einem Baum verglichen, der an den Wasserbächen gepflanzt ist, „der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht“ (Ps 1,3). Der Prophet Jeremia vergleicht den Menschen, der sich auf Gott verlässt, mit einem am Wasser gepflanzten Baum, „der seine Wurzeln zum Bach hinstreckt“. Und weiter: „Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün; und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte“ (Jer. 17,7f).

Herr Beintker: Die Bäume können uns zur Quellsuche und zur Wurzelpflege anregen. Haben wir Quellen, aus denen wir Kraft für unser Leben ziehen? Was tun wir mit den Wurzeln, die uns Halt geben? Um Quellsuche und Wurzelpflege sieht es in unserer Gesellschaft nicht so gut aus. Was tröstet uns in der Angst? Was macht uns froh und bewegt uns zum Dank? Was gibt uns Zuversicht? Was macht uns mutig? Wo finden wir Geborgenheit? Solche und ähnliche Fragen werden viel zu selten gestellt. Wer sie aber stellt und dabei die Bibel aufschlägt, wird schnell merken, dass wir im Vertrauen auf Gott die wahren Quellen und Wurzeln unseres Lebens finden.

Frau Beintker: Die genannten Texte sprechen dazu allerdings eine Alternative an, die mich erschreckt. Jeremia vergleicht den Menschen, der nicht nach Gott fragt und sich nur auf sich selbst und seinesgleichen verlässt, mit einem Strauch in der Wüste, der das Gute nicht sieht, sondern in der Dürre dahinvegetiert, „im unfruchtbaren Lande, wo niemand wohnt“ (Jer. 17,5f). Das heißt: Der Verlust der Quelle führt zum Absterben der Wurzeln und am Ende zur Einsamkeit; jeder lebt und stirbt für sich allein. In Psalm 1 werden solche Menschen mit der Streu verglichen, „die der Wind verstreut“ (Ps. 1,4).

Herr Mertins (zu Frau Beintker): Vorhin haben Sie mich gefragt: Warum gleich so negativ? Deshalb möchte ich jetzt ausdrücklich etwas ganz Positives sagen. Keiner muss in seinem Leben wie flüchtige Streu sein, auch nicht wie ein vertrockneter Wüstenstrauch – nein, er oder sie können und sollen wie ein Baum sein, mit kräftigen Wurzeln, kernigem Holz und guten Früchten. Und wenn man dann noch die Arme so zum Himmel ausbreitet wie ein Baum seine Krone, dann kann das auch klappen. Für den Baum kommt das Beste von oben, nämlich Licht und Wasser. Auch für den Glauben kommt das Beste von oben, nämlich Licht und Segen. Davon können wir gar nicht genug bekommen, übrigens auch in der Kirche, die unter ihren dicken Gewölben oft das Licht von oben übersieht.

Frau Becker: Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wir sehen jetzt überall Waldbrände, auch hier in Deutschland. Neben der Trockenheit müssen als Ursache auch die Monokulturen genannt werden. Wälder, in denen nicht nur Fichten und Kiefern stehen, sondern auch Buchen, Eichen oder Eschen, sind nicht so gefährdet. Ich möchte aus einem Kommentar zitieren, den ich vor einigen Tagen in der Zeitung fand: Das Ziel der Aufforstung, so wurde geschrieben, „ … darf weder eine Nadelbaum-Monokultur noch ein unberührter Naturwald sein, sondern ein gemischter, naturnaher Kulturwald, der viel CO2 bindet, den klimafreundlichen Rohstoff Holz liefert und waldbrandresilient [d.h. widerständig gegen Waldbrand] angelegt ist“ (FAZ 27.7.2022, 1). Monokulturen mögen leicht zu bewirtschaften sein, aber für das Leben der Bäume sind sie ein großes Problem. Denn Natur ist auf Vielfalt angelegt. Wer Vielfalt beschneidet, der erschwert und blockiert Leben und Lebendigkeit. Das zeigt sich in der Politik, wenn Diktatoren und Autokraten an die Macht kommen. Und das zeigt sich auch in der Kirche.

Herr Beintker: Natürlich auch in der Kirche. Man kann im Mischwald ein gutes Vorbild für die Ökumene erkennen. Die verschiedenen Baumarten bilden eine Lebensgemeinschaft. Die einen schützen die anderen und sorgen gemeinsam dafür, dass immer etwas nachwächst und auch die Kleinen eine Lebenschance bekommen. Gemeinsam überstehen sie jeden Stress und jede Krise besser. Peter Wohlleben, Deutschlands berühmtester Förster, hat das in seinen Büchern über das geheime Leben der Bäume eindrucksvoll beschrieben. Von den Bäumen können wir lernen, dass wir über alle Konfessionsgrenzen hinweg nur gemeinsam Kirche Jesu Christi sein können. Konfessionelle Monokulturen sind heute ähnlich gefährdet wie Kiefernplantagen bei tropischer Hitze.

Frau Beintker: Mir fällt etwas auf: Wir haben noch nicht über das Gericht gesprochen. Es heißt ja, dass die Bäume vor Gott jubeln, denn er kommt, um die Erde zu richten. Ich vermute einmal, dass hier an so etwas wie das Jüngste Gericht gedacht ist, bei dem das Gute vom Bösen getrennt wird und das Böse an sein Ende kommt. Das ist eine ziemlich ernste Sache. Früher hat man sich mehr davor gefürchtet als heute. Aber wie kann man gleich jubeln, wenn Gott kommt, um die Erde zu richten?

Herr Mertins: Bäume brauchen sich vor einem Gericht nicht zu fürchten, weil sie nichts Böses getan haben. Sie sind nicht Täter, sondern Opfer – Opfer des menschlichen Gestaltungsdrangs und Profitstrebens, Opfer der Übernutzung der Waldflächen, der Abholzung der Regenwälder. Wir finden heute in Europa fast keinen natürlich gewachsenen Wald mehr, hier ist alles von Menschenhand angelegt worden. Wenn Opfer vor einem Richter erscheinen, dann werden sie erwarten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Diese Erwartung könnte hinter dem Jubel der Bäume stehen. Es wird einmal ein Tag kommen, an dem die Bäume keine Axt und keine Säge mehr zu fürchten haben, keinen sauren Regen, keine Dürre, keine Monokultur, keinen Orkan, keinen Borkenkäfer und auch keinen Waldbrand. Diese Hoffnung lässt sie jubeln. Die Bibel spricht in diesem Zusammenhang von der Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde (vgl. Jes. 65,17; Offb 21,1).

Frau Becker: Diese Hoffnung keimt interessanterweise an einem Baumstumpf auf. Wir hören und singen das zu Weihnachten: „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, / wie uns die Alten sungen, / von Jesse kam die Art. /Und hat ein Blümlein bracht / mitten im kalten Winter / wohl zu der halben Nacht“. Jesse bzw. Isai war der Vater Davids. Die „Wurzel Jesse“ ist ein Hinweis auf die Geburt des Messias aus dem Geschlecht Davids (vgl. Jes. 11,1–10). Am scheinbar toten Baumstumpf grünt ein frischer Zweig. Und dieser entwickelt sich zu einem Baum, der zum Symbol wird für das Kommen Jesu Christi und seines Reiches.

Herr Beintker: Hier zeigt sich ein typischer Wesenszug des Handelns Gottes. Er handelt auf jeden Fall dann und dort, wo wir annehmen, dass alles vorbei ist. Mein Enkel würde sagen: Das ist cool. Abgeschlagener Baum und darauf neuer Anfang. Zerstörte Erde und darauf neuer Himmel und neue Erde, untragbare Schuld und darauf Vergebung, Kreuz auf Golgatha und darauf Auferstehung am Ostertag, Tod und darauf der Anfang eines neuen Lebens. So taucht im letzten Kapitel der Bibel wieder der Baum des Lebens auf, dieses Mal im Plural. Bäume des Lebens säumen den Strom des lebendigen Wassers in der Stadt Gottes. Nicht nur im Sommer und Herbst, sondern in allen zwölf Monaten bringen sie ihre Frucht, „und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“ (Offb. 22,2).

Herr Mertins: Was für ein Bild! Die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker! Das heißt doch, dass die Wunden, die sich die Völker in ihren Konflikten und Kriegen geschlagen haben, geheilt werden.

Frau Beintker: Wie gut könnten wir solche Blätter heute gebrauchen! Wie wichtig wäre es, dass die Wunden der Völker heute geheilt werden!

Frau Becker: Deshalb ist das Ringen um Versöhnung zwischen den Völkern so wichtig!

Herr Beintker: Also wäre das Rauschen der Blätter ein Aufruf zum Frieden. So bewahre der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Der Autor ist Prof. em. für Systematische Theologie, Uni Münster

Wir danken dem Vorsitzenden des Fördervereins der Studienstelle, Pfr. i. R.
Wolfram Hädicke, für die Einholung der Genehmigung zum Abdruck der Predigt.

Aus den Landeskirchen

Aufruf an die Kirchengemeinden zum Energiesparen

PM 101 | 25.08.2022 | Pressestelle EKM 

Das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ruft die Kirchengemeinden zum Energiesparen auf. Angesichts der Energie- und Klimakrise wurde ein Leitfaden erstellt, der den Gemeinden dabei helfen soll, Einsparpotenziale besser auszuschöpfen.

So sollen beispielsweise Gottesdienste im Winter in beheizbaren Räumen regional zusammengelegt sowie auf die Außenbeleuchtung von Kirchengebäuden verzichtet werden.

Auf dem Gebiet der EKM gibt es 3.130 Kirchengemeinden sowie 3.897 Kirchen und Kapellen.

„Das Thema ist für die Kirchengemeinden nicht neu, viele gehen sparsam mit Energie um. Dennoch geht es darum, Potentiale zu erschließen, die bisher vielleicht nicht im Blick waren. Die erstellte Liste kann als Grundlage für Beratungen im Gemeindekirchenrat dienen“, so Caroline Knapp von der Projektstelle „Klimaschutz Gebäude und Mobilität“ im Landeskirchenamt der EKM.

Leitfaden zum Energiesparen

von Caroline Knapp

Auf uns alle kommen steigende Energiepreise zu, gleichzeitig erleben wir eine verschärfte Klimakrise – jetzt heißt es: Energie sparen. Das Thema ist für die Kirchengemeinden nicht neu, viele gehen sparsam mit Energie um. Dennoch geht es darum, Potentiale zu erschließen, die bisher vielleicht nicht im Blick waren. Dafür hat das Kollegium des Landeskirchenamtes die folgenden Anregungen beschlossen. Mit diesen sollen und können die Kirchengemeinden kreativ umgehen. Nehmen Sie die Liste beispielsweise als Grundlage für Ihre Beratung im Gemeindekirchenrat. Auch wenn die Kirchengemeinden frei sind, selbst zu entscheiden, sollte das gesellschaftliche Umfeld beachtet werden. Wird staatlicherseits beispielsweise das Anstrahlen von öffentlichen Gebäuden unterbunden, ist kaum plausibel zu machen, dass Kirchen angestrahlt werden.

Raumnutzung

Kirchen nicht (auch nicht stundenweise) von außen beleuchten.

Gottesdienste im Winter in beheizbaren Räumen regional zusammenlegen, Raumgröße je nach Teilnehmerzahl nicht zu groß wählen (unter Beachtung der geltenden Corona-Vorschriften).

Veranstaltungen so organisieren, dass Räume möglichst selten auf Nutzungstemperatur (19° C) aufgeheizt werden müssen; bspw. mehrere Veranstaltungen auf einen Tag legen.

Weniger dringende Veranstaltungen in die wärmere Jahreszeit legen.

Technische Geräte prüfen und eventuell abstellen (bspw. Kühlschrank im Winter), Standby vermeiden.

Boiler in Toiletten ausstellen (kaltes Wasser ist zum Händewaschen ausreichend und auch effektiv gegen Viren).

Bewegungsmelder für die Beleuchtung einsetzen (bspw. in Fluren, Abstellräumen oder WCs).

Sind Leuchtmittel defekt, dann auf LED umstellen.

Jalousien und Rollläden im Winter öffnen, um das Sonnenlicht zu nutzen.

Heizen

Das Absenken der Raumtemperatur um 1° C spart 10 % Heizenergie. Grund- und Nutztemperaturen sollten deutlich reduziert werden, genutzte Räume nicht unter 16°C abkühlen lassen, Aufheizen braucht Zeit und kostet viel Energie.

Sitzkissen und Wolldecken anbieten und die Gemeindemitglieder informieren, warum Energie gespart wird.

In nicht oder wenig genutzten Räumen Temperatur auf Frostsicherheit (6-8°C) reduzieren.

Heizungsanlagen auf Funktionalität überprüfen und neu einstellen, ein hydraulischer Heizungsabgleich erhöht die Effizienz der Heizung um bis zu 15 %.

Nachts und an Wochenenden die Temperaturen in Funktionsräumen (Büro, Kindergarten u.ä.) allgemein senken (Nachtabsenkung des Heizkessels und Heizkesselpumpe z. B. mittels Zeitschaltuhr regulieren).

Jährlich den Heizkessel warten lassen. 1 mm Rußschicht steigert den Energieverbrauch um ca. 6 %.

Gemeinden, die beheizbare Räume für Veranstaltungen (z. B. Feierlichkeiten oder Trauerfeiern) zur Verfügung stellen, sollten die Verdoppelung der Heizkosten zeitnah im Rahmen einer neuen Gebührenkalkulation und Gebührenfestsetzung berücksichtigen.

ACHTUNG! Alle Maßnahmen sollten mit den Gebäudeverantwortlichen abgesprochen werden, um die beste Lösung für das jeweilige Gebäude zu finden; auch ist auf das Raumklima für Orgeln und Ausstattung zu achten.

Tipps fürs Büro

Steckerleisten mit Kippschalter nutzen, um Standby zu vermeiden.

Bei absehbarer Abwesenheit von mehr als 15 Minuten (Pausen, Sitzungen) Bildschirm und PC ausschalten, anstatt den Desktopschoner zu nutzen.

Netzwerkdrucker nutzen und eigene Bürodrucker weitestgehend abschalten.

Bei Neuanschaffung von Druckern Tintenstrahldrucker bevorzugen, da der Stromverbrauch oft nur ein Zehntel gegenüber Laserdruckern beträgt.

Für Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Caroline Knapp
Projektstelle „Klimaschutz Gebäude und Mobilität“
Am Dom 2 | 39104 Magdeburg
Tel.: 0391 5346563

Die Landeskirchen und das Bistum im „BRIEFE-Gebiet“ haben jeweils eigene Tipps und Hinweise veröffentlicht, die jedoch naturgemäß ähnlich sind. Sie werden hier nicht alle abgedruckt, auf Nachfrage aber gerne zugesandt. Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner der Landeskirchen helfen mit Rat, Kontaktvermittlung und Weiterbildungen weiter.

Evangelische Kirche in Mitteldeutschland:

Kathrin Natho
Beauftragte für Umwelt
Tel.: 0391 5346-395

Caroline Knapp
Projektstelle „Klimaschutz Gebäude
und Entwicklung und Mobilität“
Tel.: 3091 5346-563

Evangelisch-Lutherische Kirche in Sachsen:

Manuela Kolster
Referentin für Umwelt und ländliche Entwicklung und Ansprechstelle
für Umweltfragen in der Landeskirche
Tel.: 034348 839912

Evangelische Kirche in Berlin, Brandenburg, schlesische Oberlausitz:

Dr. Jörn Budde
Leiter des Umweltbüros der Landeskirche
Tel.: 0151 75049758

Bistum Magdeburg:

Dr. Wendelin Bücking
Umweltbeauftragter im Bistum
Tel.: 039427 96155

Evangelische Landeskirche Anhalts:

Siegrun Höhne
Umweltbeauftragte
Tel: 03491 498833

Photovoltaik (PV) auf Kirchlichen Gebäuden

1000 Kirchendächer für Solarenergie – so hieß ein Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aus dem Jahr 2000. Es hat sich seither allerdings wenig getan. Denkmalschutz, Brandschutz und Ästhetik waren die Hauptargumente, um Photovoltaik auf Kirchendächern zu verhindern.

Im April dieses Jahres haben die Bauamtsleitenden der EKD-Gliedkirchen eine gemeinsame Position gefunden, in der festgestellt wird, dass Ziele des Denkmalschutzes nicht höherwertig als Ziele des Klimaschutzes sind. PV gilt als „von überragendem öffentlichem Interesse“. An konkreten Projekten soll der Prozess der Errichtung von PV-Anlagen auf Denkmalen begleitet und erprobt werden.

In den letzten Monaten haben sich eine Reihe Gemeinden mit konkreten Planungen für PV auf „ihrer Kirche“ beschäftigt und sind über diese Nachrichten hoch erfreut.

Dazu passend hat die EKM eine Informationsbroschüre zum Thema PV auf Kirchlichen Gebäuden erarbeitet, die mit der Novemberausgabe der Zeitschrift EKM-intern erschien, und unter:

www.oekumenezentrum-ekm.de/asset/RV3tANJiRzivT7t_UvmXRA/handreichung-pv-anlagen-ekm.pdf

verfügbar ist. 

Die Handreichung wurde von der Umweltbeauftragten Kathrin Natho in Zusammenarbeit mit der Referatsleiterin Bau der EKM, Elke Bergt und Caroline Knapp, Projektstelle Gebäude und Mobilität, erarbeitet.

In der Einleitung heißt es: „Die Klimakrise und die Energiekrise lassen viele Menschen nach klimafreundlichen und kostengünstigen Alternativen zur Stromerzeugung suchen. PV-Anlagen können dabei eine bedeutende Möglichkeit sein. Diese Broschüre der EKM zu PV-Anlagen auf kirchlichen Gebäuden soll interessierten Kirchenkreisen und Kirchengemeinden einen Überblick über das Thema geben. 

Die Planung einer PV-Anlage sollte immer in ein stimmiges Gebäudegesamt- und Finanzierungskonzept eingebettet sein. Neben möglichen denkmalrechtlichen Belangen sind auch die zukünftige langfristige Gebäudenutzung, der Gebäudezustand, anstehende Sanierungen und die sonstige technische Gebäudeausrüstung, insbesondere der Anschlussmöglichkeit zur Heizungsversorgung, zu berücksichtigen. …

Auch im Hinblick auf eine gemeinsame Positionierung gegenüber den staatlichen Denkmalbehörden haben sich die Ev. Landeskirchen bei der diesjährigen Konferenz der Bauamtsleitenden der EKD auf folgende Grundsätze verständigt:

Alle Gebäude, auch die Mehrzahl der denkmalgeschützten Gebäude und Kirchen, bieten große Potentiale zur Errichtung von PV-Anlagen. Somit sind alle für die Installation einer PV-Anlage geeigneten (Gebäudenutzung, Dachzustand, Statik, Ausrichtung usw.) Dachflächen bei der Planung des Gesamtkonzepts zur Klimaneutralität zu berücksichtigen.

Aus dem Inhaltverzeichnis:

  • Standortvorrausetzungen
  • Photovoltaik auf Denkmälern 
  • Position der Bauamtsleitenden der EKD- Gliedkirchen
  • Genehmigungspflicht von PV-Anlagen 
  • Technische Varianten
  • Ökobilanz und Entsorgung von PV-Anlagen
  • Betreibermodelle von PV-Anlagen

Aus der EKD

Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität
EKD verabschiedet Richtlinie für den kirchlichen Klimaschutz

Pressemitteilung, 29. September 2022,
Pressestelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Mit einer „Klimaschutzrichtlinie“ hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) einen Meilenstein für den Weg zu einer klimaneutralen Kirche gesetzt. Die jetzt von Kirchenkonferenz und Rat der EKD verabschiedete Richtlinie beschreibt einen Standard für den kirchlichen Klimaschutz, an dem künftig die rechtlichen Regelungen der Landeskirchen gemessen werden können. Damit bietet sie eine Grundlage für einheitliche und überprüfbare Regelungen.

„Der Klimawandel bleibt die größte Herausforderung der Menschheit. Das müssen wir uns auch und gerade in der Energiekrise immer wieder vor Augen führen,“ so die Ratsvorsitzende der EKD, Präses Annette Kurschus. „Zusammen mit Politik, Wirtschaft, den Religionsgemeinschaften und allen Menschen guten Willens müssen wir uns als evangelische Kirche dieser Herausforderung entschlossen und konsequent stellen. Die Klimaschutzrichtlinie der EKD nimmt uns selbst in die Pflicht, genau das zu tun.“

Die Synode der EKD hatte im vergangenen November beschlossen, eine Roadmap für einen verbindlichen EKD-weiten Prozess zur Klimaneutralität bis 2035 sowie verbindliche Überprüfungs- und Anpassungsmechanismen erarbeiten zu lassen. „Mit der neuen Richtline und der Roadmap ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, einen gemeinsamen überprüfbaren Rahmen für die Umsetzung der Klimaziele der EKD zu finden“, so die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich. „Seit Jahrzehnten ist klar, dass die Treibhausgasemissionen sinken müssen und doch sind sie bis zuletzt gestiegen. Umso mehr stehen wir in der Verantwortung, als Kirchen unseren Beitrag dazu zu leisten, die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu erhalten. Dabei dürfen wir jetzt keine Zeit mehr verlieren.“

Ergänzt wird die Richtlinie von einer Roadmap zur Erreichung der Netto- Treibhausgasneutralität, die die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) entwickelt hat. Während die Klimaschutzrichtlinie die rechtlichen Rahmenbedingungen aufzeigt, stellt die Roadmap die wissenschaftlichen Rahmenbedingungen dar, in denen die Netto-Treibhausgasneutralität bis 2035 erreicht werden kann.

Die Beauftragte für Schöpfungsverantwortung der EKD, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche), sieht in der Klimaschutzrichtlinie einen „wichtigen Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mit diesem Orientierungsrahmen machen wir deutlich: Als evangelische Kirche wollen wir unsere bereits vorhandenen wie die derzeit entstehenden landeskirchlichen Klimaschutzgesetze und den Synodenbeschluss der EKD zur Klimaneutralität konsequent und verbindlich umsetzen.“

Anm. der Red.: In der nächste BRIEFE-Ausgabe (Dezember 2022) ist ein ausführlicher Beitrag zum Inhalt der Klimaschutzrichtlinie von Oliver Foltin (FEST Heidelberg) geplant.

Aus der Evangelischen Akademie in Wittenberg

Hoffnungsträger Wasserstoff
Chancen, Hürden, Risiken

Vom 20. bis 22. Oktober 2022 fand an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg eine hochkarätige Tagung zum „Hoffnungsträger Wasserstoff“ statt. Studienleiter Jörg Göpfert hatte zahlreiche Fachleute aus Wissenschaft, Fachverwaltungen und Industrie eingeladen, um einen qualifizierten Überblick zum Stand der Debatten zu liefern.

Zum Hintergrund:

Seit dem Krieg in der Ukraine steht die Energieversorgung vor enormen Herausforderungen. Prekär ist die Situation beim Erdgas. Mit Hochdruck wird nach Alternativen zu Gaslieferungen aus Russland gesucht. In diesem Zusammenhang rückt auch Wasserstoff in den Fokus. Könnte er kurzfristig zu einer Entlastung beitragen? Und könnte „grüner“ Wasserstoff eine umwelt- und klimaverträgliche Alternative zu Kohle, Öl und Erdgas werden? Bereits 2020 hatte die Bundesregierung eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ beschlossen. Sie soll für einen „Markthochlauf“ der Wasserstofftechnologien sorgen, den es nun zu beschleunigen gilt. Doch ist das der richtige Weg? Die benötigten Wasserstoffmengen sind enorm. Wo und wie sollen und können sie von wem und zu welchen Preisen produziert, transportiert und gespeichert werden? Welche Risiken sind damit verbunden? Wird es überhaupt genug Wasser und „grünen“ Strom für die Wasserstoffproduktion geben?

Die Vorträge sind online verfügbar unter: www.ev-akademie-wittenberg.de

Aus dem Programm:

Was geht mit Wasserstoff? Bedarf, Erzeugung, Nutzungen
Prof. Dr. André Thess, Leiter des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung, Universität Stuttgart sowie Institut für Technische Thermodynamik, DLR

Reicht das Wasser für den Wasserstoff?

• Dr. Jörg Rechenberg, Leiter des Fachgebiets „Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau

• Dipl.-Ing. Burkhard Henning, Direktor des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft  Sachsen-Anhalt (LHW), Magdeburg

• Neelke Wagner, Klima-Allianz Deutschland e. V., Berlin

• Kees de Vries, Landwirtschaftsverein Westfläming e.V., Deetz

Mit „Knallgas“ in die Zukunft? Sicherheit von Wasserstoff – von der Herstellung bis zur Nutzung
Dr.-Ing. Georg Mair, Co-Sprecher Kompetenzzentrum H2Safety@BAM, Leiter Fachbereich „Sicherheit von Gasspeichern“, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin

Klasse statt Masse. Wasserstoff und Klimaschutz
Gregor Jaschke, Sachverständigenrat für Umweltfragen, Berlin

Die nationale und europäische Wasserstoffstrategie
Ziele, Förderkonzepte, Stand der Umsetzung

Dr. Stefan Kaufmann, Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Berlin/Bonn

Mitteldeutschland: Kraftzentrum der Wasserstoffwirtschaft?
Die Strategie des Landes Sachsen-Anhalt

Uwe Zischkale, Leiter der Abteilung Energie, Nachhaltigkeit, Strukturwandel des Ministeriums für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg

Kernenergie

Atombombe, friedliche Nutzung und aktuelle atomare Bedrohung
von Paul Koch

Robert Oppenheimer (1904-1967) gilt als „Vater der Atombombe“. Nach Hiroshima und Nagasaki verurteilte Oppenheimer ihren weiteren Einsatz. Leider blieb seine ablehnende Haltung gegenüber der Atombombe ohne Einsicht der Mächtigen. Weltweit wurden knapp 2100 Kernwaffentests durchgeführt. Durch die freigesetzte Radioaktivität kamen ca. 300.000 Menschen ums Leben. Nach Hiroshima und Nagasaki schwand zusehends die Akzeptanz der militärischen Nutzung der Kernenergie. Man stellte um, von militärischer auf zivile (ja gar friedliche) Nutzung der Kernenergie. Und schon stieg die Akzeptanz, verbunden mit der euphorischen Erwartung auf unendlichen und fast kostenlosen Strom. Diese Euphorie hielt an bis zur Tschernobyl-Katastrophe.

Jetzt steht ein zweites Tschernobyl „mit Ansage“ bevor. Dass russische Militär quartiert sich an mehreren Kernkraftwerk-Standorten in der Ukraine ein, mit der Strategie, dass sie sehr wohl von dort aus Raketen auf ukrainische Ziele schießen können, die Ukraine in diesem Falle aber nur eingeschränkt agieren kann, um keine Nuklear-Katastrophe herbeizuführen.

Wie also steht es mit der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“? Schon lange spricht man von den atomaren Zwillingen: Atomenergie und Atombombe. Die Atomkraftwerke produzieren eben nicht nur Strom, sondern liefern als Abfallprodukt auch das Material für Atomwaffen aller Art, einschließlich der Atombombe. Wenn man das weiß, weiß man auch, warum manche Länder (Politiker) so sehr auf Atomenergie setzen. 

Von 56 französischen Reaktoren sind 2022 nur 24 in Betrieb, so dass Macron (geschichtsvergessen) die Arbeiter der Atomindustrie beruhigen wollte, indem er ihnen als Arbeitsplatzgarantie sagte: „Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung der Technologie – und ohne die militärische Nutzung gibt es auch keine zivile Atomenergie.“ (www.elysee.fr, 08.12.2020)

Mit dem Krieg gegen die Ukraine ist die Angst vor dem Einsatz der Atombombe so groß und real wie nie zuvor. Es wird auch sehr deutlich, dass die Atombombe notfalls eben nicht nur zur „Abschreckung“ gelagert/ vorgehalten wird, sondern auch zur tatsächlichen Vernichtung des Gegners (und deren Unterstützer) eingesetzt werden könnte. Wir sollten dringend Möglichkeiten finden, dass die gesellschaftliche und politische Einsicht eintritt, dass wir auf diesem Globus alle in einem Boot sitzen. Wir hätten wahrhaft Besseres zu tun, als ganze Landstriche mit allen Lebewesen zu vernichten. Wären vielleicht 100 Milliarden Euro für Friedensforschung besser eingesetzt, als diese Summe für das Militär? 

Der Weg zum Wohlstand oder ins (un-) demokratische Mittelalter?

Die private Industrie blieb anfänglich bei der Produktion der Atombomben sehr zurückhaltend. Unternehmen wie General Electric und Westinghouse hatten wegen der „ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Risiken” auf voller staatlicher Haftung beharrt. Dies wurde dann auch für zivile Atomprojekte in Anspruch genommen. Die staatliche Haftung wurde auf ca. 500 Millionen Dollar begrenzt, was bei einem Störfall wie Tschernobyl und Fukushima bei Weitem nicht ausreicht. Belarus hat über mehrere Jahrzehnte 20 Prozent des Staatshaushaltes für die Minimierung der Folgen von Tschernobyl ausgegeben. Japan gibt derzeit rund 700 Millionen Euro pro Jahr für die Folgen von Fukushima aus. Der japanische Industrieminister Hiroshige Seko geht von zukünftigen Kosten von mehrere Milliarden Euro pro Jahr aus. 

Versprochen wurde mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie billiger Strom und Wohlstand. Robert Jungk beschreibt in seinem Buch „Der Atomstaat“ die negativen Auswirkungen der Atomindustrie auf Gesellschaft und Demokratie. Wenn man schaut, wie die Politiker mit allen Mitteln die Kernenergie (und die Zwischen- und Endlagerung) durchsetzen, bei allen bekannten negativen Folgen, dann kann einem angst und bange um die Demokratie werden. Natürlich wird alles demokratisch legitimiert. So gibt es einen Vertrag aus dem Jahr 1959 zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergie Organisation (IEAO), wonach die WHO nichts über Strahlenrisiko veröffentlichen darf, was nicht zuvor die IEAO genehmigt hat. Das ist demokratisch legitimierte Verschleierung, die sich niederschlägt in nicht akzeptierten Studien, die auf diese Gefahren hinweisen. Selbst die Schweizer naturwissenschaftliche Zeichnerin Cornelia Hesse-Honegger hat eine Veränderung bei Insekten (Mutationen etc.) nahe von Atomanlagen nachgewiesen. 

Der deutsche Atomausstieg nach Fukushima wird von anderen Ländern belächelt oder bestaunt und ist durch den Krieg gegen die Ukraine erneut ins Wanken gekommen. Im Jahr 2022 finden wir uns in einer grotesken Situation: Die Bundesrepublik Deutschland steht vor dem „Aus“ der letzten 3 Atomkraftwerke (oder auch nicht). Der Atomausstieg ist zwar beschlossen, aber wir beliefern fleißig andere Länder mit Brennelementen. Der europäische „Green-Deal“ wird durch eine zweifelhafte Taxonomie–Entscheidung zum „Greenwashing“. Der Atomwaffensperrvertrag von 1986 verbietet die weitere Verbreitung von Kernwaffen und verpflichtet zur Abrüstung von Kernwaffen, er enthält das Recht auf die „friedliche Nutzung“ der Kernenergie. Dies wird von den Atommächten unterstützt, während der Atomwaffenverbotsvertrag (2021), der Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung, Einsatz von Kernwaffen und auch die Drohung damit verbietet, von den Atommächten (und auch von Deutschland) nicht unterzeichnet wurde. 

Ging es bislang um den kritischen Blick auf die Produktion von Strom (und im verdeckten Zwillingsbereich um die Atombombe) wird häufig bei dieser Diskussion ein ganz anderer Aspekt nur beiläufig erwähnt: Die Nuklearmedizin. Die Nuklearmedizin ist eben auch von den Abfallprodukten der Kernenergie abhängig. Es geht also nicht nur um Zwillinge, sondern um Drillinge. Aber was heißt das für uns, die wir immer die Risiken der Atomenergie vor Augen haben? Mir wird klar (und auch das ist nichts grundsätzlich Neues): Fluch und Segen liegen häufig nah beieinander. 

Die ungelöste Endlagerfrage und eine zweifelhafte Zwischenlagerung

Vergessen werden scheinbar bei der aktuellen Debatte um Streckbetrieb oder Laufzeitverlängerung nicht nur Tschernobyl und Fukushima, sondern vor allem die ungelöste Frage der Entsorgung/ Endlagerung des Atommülls.

Ein Paradebeispiel, wie man nicht mit dem Atommüll umgehen sollte, ist im niedersächsischen Remlingen zu finden. Der bewaldete Höhenzug Asse im Landkreis Wolfenbüttel hat eine Länge von ca. 9 km, eine Breite von ca. 3 km. Auf dem relativ kleinen Berg befanden sich 3 Salzbergwerke: Asse I – III. Die Bergwerke Asse I und Asse III sind wegen starken Wasserzuflusses aufgegeben worden. Wie man auf die Idee kommt, in einem relativ kleinen Gebiet, in dem zwei abgesoffene Bergwerke liegen, beim unmittelbaren Nachbarn (Asse II) zu behaupten, hier ist alles sicher, ist schon verwunderlich. 

Inzwischen wird hoch offiziell bestätigt, dass in die Asse niemals hätte Atommüll eingelagert werden dürfen. Und jetzt soll der Atommüll aus dem Bergwerk auf das Bergwerk (zur Zwischenlagerung, bis ein Endlager zur Verfügung steht) gebracht werden. Mit einer Basta-Entscheidung, die eine alternative Standortsuche verhindern will, gibt sich aber die Region rund um die Asse nicht zufrieden. 

Hier hat die Kirche eine schlichtende, informierende, unterstützende, seelsorgerliche Aufgabe, die sie mit Andachten, Gottesdienste und Mitwirkung bei den Bürgerinitiativen, wahrnimmt. 

Der Autor Paul Koch ist Sozialdiakon i. R. der Ev.-luth. Landeskirche Braunschweig und engagiert sich seit Jahren im Themenfeld, u. A.  mit einem Strahlenschutz-Stammtisch und im Klima- und Umwelt-Netzwerk Wolfenbüttel.

Weitere Informationen erfragen Sie bitte beim Autor:

Paul Koch
Tel.: 05332 8859810

Fracking

Fracking klar ablehnen
Verbände und Bürgerinitiativen vereint hinter gemeinsamer Forderung

Berlin, 25. Oktober 2022

Fünfzig Umweltverbände, Kirchengruppen und Bürgerinitiativen haben in einem offenen Brief die Bundesministerien für Wirtschaft, Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit adressiert und fordern gemeinsam ein vollständiges und zeitunabhängiges Fracking-Verbot.

Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die dramatische fossile Abhängigkeit Deutschlands offenbart. Auf die neue Situation muss intelligent reagiert werden, mit Investitionen, die Klima- und Energiekrise zugleich und nachhaltig lösen. Die Unterzeichner*innen appellieren and die Bundesregierung nicht auf Industrielobbyisten hereinfallen, die die aus guten Gründen verbannte Fracking-Technik nun doch in Deutschland durchsetzen wollen. Fracking ist ein Irrweg. Damit könne die derzeitige Notlage nicht gelindert werden. Stattdessen würden wir jahrelang Klima, Umwelt und Gesundheit der Menschen in Deutschland massiv schädigen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Fracking schafft keine Abhilfe in der aktuellen Energiekrise. Es würden Jahre vergehen, bis signifikante Mengen gefördert werden könnten. Zudem wäre es eine absolute Fehlinvestition: Wir wollen bis 2045 Klimaneutralität erreichen. Neue fossile Projekte mit 30 – 50 Jahren Lebensdauer haben da keinen Platz mehr – zumal wenn sie neben Klima auch noch Umwelt und Gesundheit der Menschen massiv schädigen. Wenn wir jetzt investieren, dann in erneuerbare Energien!“

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergänzt: „Die Bundesregierung muss Fracking klar ablehnen. Fracking ist keine vertrauenswürdige Technologie und droht die Klima- und Ressourcenkrise weiter zu verschärfen. Der Wasserverbrauch von Fracking ist enorm und würde mit dem bereits heute kritischen Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft konkurrieren. Gerade nach einem erneuten dramatischen Dürrejahr wie 2022 wäre es grotesk, diesen Aspekt zu ignorieren und Fracking die Tür zu öffnen.“

Die Unterzeichner*innen – zu denen neben DUH und BUND auch Nabu, WWF Deutschland, Umweltinstitut München, Energy Watch Group, Urgewald, PowerShift, Forum Umwelt und Entwicklung sowie die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Evangelischen Kirchen in Deutschland gehören – verweisen zudem auf die schlechte Klimabilanz, negative Gesundheitsauswirkungen sowie Warnungen von UN-Institutionen bezüglich Menschenrechtsverstößen.

„Kirchen sind besorgt, dass die betroffenen Regionen mit unverhältnismäßig hohen Umweltbelastungen konfrontiert sein werden“, betont Gudrun Kordecki, Referentin für Umwelt und Bioethik der westfälischen Landeskirche und Vorständin der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragen der Evangelischen Kirchen in Deutschland (AGU).

Andy Gheorghiu, Initiator des offenen Briefes und langjähriger Anti-Fracking Aktivist hebt hervor: „Die Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen von Fracking sowie die damit im Zusammenhang stehenden Menschenrechtsverstöße werden von mehreren internationalen Institutionen seit Jahren bestätigt. Nicht umsonst empfahl der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt in seinem 2019er Safe Climate Bericht, Fracking zu verbieten.“

Die Unterzeichner*innen fordern die Bundesministerien für Wirtschaft, Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit auf, die vorhandenen Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen von Fracking auf Klima, Umwelt, öffentliche Gesundheit sowie Menschenrechte entsprechend deutlich zu machen und dem Bundestag die Einführung eines vollständigen und zeitunabhängigen Fracking-Verbotes zu empfehlen.

Kontakt:

Sascha Müller-Kraenner
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Tel.: 0160 90354509

Oliver Powalla
Leiter Energiepolitik beim BUND
Tel.: 030 27586-436 | 0163 6854324

Dr. Gudrun Kordecki
Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten
der Evangelischen Kirchen in Deutschland
Tel.: 02304 755 330

Andy Gheorghiu
Andy Gheorghiu Consulting
Tel.: 0160 2030974

Offener Brief

Sehr geehrte Minister*innen,

der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat in brutaler Weise die fatale Abhängigkeit von fossilen Brenn- und Rohstoffen (insbesondere Gas) offenbart. Nun kann die notwendige vollständige Umsetzung der Energiewende, deren zentraler, existenzieller Klima- und Umweltschutzgedanke – gepaart mit der Senkung von Energiepreisen – für all ihre Ministerien eine Rolle spielt, nicht mehr negiert werden.

Allerdings werden just in diesen Tagen rückwärtsgewandte Stimmen laut, die eine Aufhebung des im Wasserhaushaltsgesetzes verankerten Fracking-Verbots fordern. Ein Verbot, welches nach einer intensiven, jahrelangen Auseinandersetzung mit Fakten berechtigterweise eingeführt wurde.

Wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie, um wesentliche Argumente gegen Fracking erneut vorzutragen und Sie zu einer klaren Ablehnung aufzufordern.

1. Keine Abhilfe in derzeitiger Energiekrise

Fracking schafft keine Abhilfe in Sachen aktueller Gasnotlage durch den Ukraine-Krieg. Denn die aktuelle Lage wird lediglich in den kommenden ein bis zwei Wintern entstehen. So schnell stünde Gas aus Fracking in Deutschland aber keinesfalls zur Verfügung, denn dafür bräuchte es aufwendige Sondierungs-, und Vorbereitungsarbeiten. Es vergehen mehrere Jahre, bis eine notwendige, flächendeckende Industrialisierung hergestellt werden könnte. Bis signifikante Mengen an Gas verfügbar wären, dürften bis zu zehn Jahre vergehen. Dann aber wird es aufgrund des massiven Ausbaus der Erneuerbaren Energien gar keinen Engpass mehr geben. Es ergibt daher keinen Sinn, sich in neue Abhängigkeit von neuen fossilen, klimaschädlichen Energien zu begeben, denn diese helfen akut nicht weiter und werden mittelfristig nicht gebraucht. 

2. Fracking befeuert die Erderhitzung

Wenn neben den beim Verbrennen entstehenden CO2-Emissionen auch die bei Förderung, Transport und Lagerung anfallenden Methanleckagen berücksichtigt werden, fällt die Klimabilanz von Erdgas – insbesondere von gefracktem Erdgas – mindestens so schlecht wie die von Kohle aus.

Gemäß einer Studie von Prof. Howarth, Cornell Universität, Ithaca, NY, USA könnte die Schiefergasförderung in Nordamerika für mehr als die Hälfte der weltweit gestiegenen Emissionen aus fossilen Brennstoffen und für etwa ein Drittel des gesamten weltweiten Anstiegs an Emissionen in der letzten Dekade verantwortlich sen.  Damit trägt Fracking wesentlich zur Erderhitzung bei. Dies ergibt sich aus der besonders klimaschädlichen Wirkung von fossilem Methan, das über 20 Jahre bis zu 108mal stärker wirkt als CO2. Bei der von der deutschen Expertenkommission Fracking angenommenen durchschnittlichen Methanemissionsrate von 2-4% wäre Schiefergas klimaschädlicher als Kohle. 

Gerade im Vordergrund des Ziels Klimaneutralität 2045 und den gewöhnlichen Laufzeiten von Fracking-Vorhaben wäre Fracking auch für Deutschland ein absoluter Klimakiller, der noch nicht einmal eine kurzfristige eventuelle Versorgungslücke decken könnte.

3. Flächendeckende Industrialisierung und immenser Wasserverbrauch

Das Risiko für Deutschland wird durch die bisherigen Berichte der Expertenkommission insgesamt kleingeredet, obgleich das Umweltbundesamt in seinem zweiten umfangreichen Gutachten 2014 darauf hinwies, dass – zur Förderung der vermuteten Vorkommen im Untergrund – rund 48.000 Bohrungen auf rund 9.300 km² notwendig wären. Dabei werden mehrere Millionen Liter Wasser für nur eine einzelne Bohrung benötigt. 

Das UBA hebt hervor: „Im Vergleich zu den bisher durch konventionelle Erdgasnutzung in Deutschland realisierten Fördervorhaben wären 48.000 Bohrungen jedoch eine enorme Steigerung, die in einem dicht besiedelten Gebiet wie Deutschland zu erheblichen Nutzungskonflikten führen dürfte.“  Diese Nutzungskonflikte sowie die Tatsache, dass zusätzliche Erdgasförderung in Deutschland weder kurzfristig zur Versorgungssicherheit beitragen kann noch klimapolitisch verantwortbar wäre, stehen einer Aufhebung des Verbots fundamental entgegen. 

Die Expertenkommission Fracking verweist zwar in ihrem Bericht über Grundwasser und Oberflächenwasser auf den hohen Wasserverbrauch, thematisiert die Problematik aber überhaupt nicht. Dabei hat wiederum das UBA bereits 2014 vor folgender Entwicklung gewarnt:

„Der … Wasserbedarf bei der unkonventionellen Gasförderung (sowohl Schiefer- wie Tightgasförderung) übersteigt in einigen Regionen Niedersachsens den vielfach schon heute als kritisch angesehenen Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Beregnung so deutlich, dass an dieser Stelle eine hohe Wahrscheinlichkeit von Nutzungskonflikten zwischen Erdgasförderung und Landwirtschaft zu konstatieren ist. Dies, zumal mit fortschreitendem Klimawandel und zunehmend trockeneren Sommern auch die Notwendigkeit von landwirtschaftlicher Beregnung in heute noch weniger dürregefährdeten Regionen zunehmen wird.“

Gerade nach einem erneuten dramatischen Dürrejahr wie 2022 wäre es grotesk, diesen Aspekt zu ignorieren.

4. Negative Gesundheitsauswirkungen 

Ebenfalls komplett ignoriert wurden die – mittlerweile durch mehrere Studien – gut dokumentierten negativen Gesundheitsauswirkungen von Fracking.

Studien an Müttern, die in der Nähe der Öl- und Gasförderung leben, stellen durchweg eine beeinträchtigte Gesundheit von Säuglingen fest, insbesondere erhöhte Risiken für ein niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburt. Auch eine erhöhte Inzidenz von Neuralrohrdefekten und angeborene Herzfehler wurden festgestellt. 

Diese negativen Gesundheitsauswirkungen stellen – neben möglicher Wasserkontamination, Luftverschmutzung sowie einem immensen Wasserverbrauch gerade im Hinblick auf zunehmende Dürren – Menschenrechtsverletzungen dar.

Im Mai 2021 hat das Irish Centre for Human Rights in einem Sonderbericht die Menschenrechtsauswirkungen von Fracking dokumentiert und auf die Notwendigkeit eines Verbotes verwiesen.  Der Bericht hebt auch die Bedeutung der im Laufe der Jahre von den Concerned Health Professionals of New York gesammelten und dokumentierten Beweise im Compendium of Scientific, Medical and Media Findings Demonstrating Risks and Harms of Fracking (8. Auflage, erschienen im April 2022) hervor. Es ist interessant, dass diese maßgeblichen Quellen in der benutzten Literatur für die Berichte der Expertenkommission keinerlei Beachtung fanden.

5. Warnungen von UN-Institutionen und Menschenrechtsverstöße

Die Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen von Fracking werden von mehreren internationalen Institutionen über Jahre bestätigt. Im Oktober 2018 gab der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESR) eine offizielle Warnung bezüglich des Frackings von Schiefergas in Argentinien heraus. Im Abschlussbericht heißt es : „Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass das Hydraulic Fracturing-Projekt den Verpflichtungen des Vertragsstaats zum Pariser Abkommen widerspricht – mit negativen Auswirkungen auf die globale Erwärmung und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Weltbevölkerung und künftiger Generationen“.

Im März 2019 forderte der Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) die britische Regierung auf, „die Einführung eines umfassenden und vollständigen Verbots von Fracking in Betracht zu ziehen“ , um insbesondere Frauenrechte im ländlichen England zu schützen. Hintergrund sind u. a. die oben genannten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass in der Nähe aktiver Gasförderanlagen das Risiko für ein geringes Geburtsgewicht steigt.  Wir gehen davon aus, dass die deutsche Bundesregierung – entgegen dem Verhalten der britischen Premierministerin Truss, die das Fracking-Moratorium in Großbritannien aufgehoben hat – ihre internationalen Verpflichtungen gegenüber Menschenrechten und der Frauenrechtskonvention einhalten wird.

In seinem 2019er Safe Climate Bericht empfahl der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt „die Ausweitung der umweltschädlichsten Arten der Gewinnung fossiler Brennstoffe zu verbieten, einschließlich Öl und Gas, das mittels Hydraulic Fracturing (Fracking), gewonnen wird“. 

6. Fracking muss vollständig und zeitunabhängig verboten werden

Zusätzlich zu den oben erwähnten Berichten zum Fracking hat der im Jahr 2021 veröffentlichte Bericht der Internationalen Energieagentur viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dieser besagt, dass die Förderung fossiler Brennstoffe jetzt gestoppt werden muss, um die sog. Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.  Dies gilt aus den vorgenannten Argumenten insbesondere für fossile Brennstoffe, die mittels Fracking gefördert werden müssten. Insbesondere besagt der Bericht, dass keine neuen Öl- und Gasfelder mehr eröffnet werden dürfen. Die Erschließung neuer Fracking-Felder widerspricht damit klar und deutlich der lebensnotwendigen Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens.

Im Kontext um die Frage, ob der Einsatz von Fracking zur Öl- und Gasförderung überhaupt noch kompatibel ist mit den beschlossenen Klimaschutzzielen sowie den Verpflichtungen des Pariser Abkommens, muss auch das jüngste Bundesverfassungsgerichts-Urteil beachtet werden. Schließlich geht deutlich daraus hervor, dass das damalige Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig zu bezeichnen ist, weil es nicht weit genug geht, um künftige Generationen zu schützen.  Auch nach der erfolgten Revision des Klimaschutzgesetzes ist dieses noch nicht ausreichend, um den Schutz unserer Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Das zeigen nicht zuletzt die Berechnungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) zum verbleibenden deutschen CO2-Budget zur Einhaltung der Pariser Klimalimits. Das Bundesverfassungsgericht bezog sich in seinem Urteil explizit auf die SRU-Berechnungen; die nach dem Urteil aktualisierten Analysen des SRU zeigen derweil, dass Deutschlands Budget im Grunde aufgebraucht ist, um global unter 1,5° C zu bleiben. 

Wir fordern Sie hiermit auf, die vorhandenen Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen von Fracking auf Klima, Umwelt, öffentliche Gesundheit sowie Menschenrechte entsprechend deutlich zu machen und dem Bundestag die Einführung eines vollständigen und zeitunabhängigen Fracking-Verbotes zu empfehlen. Anstatt uns von fossilen Vergangenheitsträumen vereinnahmen zu lassen, sollten wir alle gemeinsam die immens notwendige Energiewende vorantreiben.

Falls Fragen bestehen, stehen wir für einen Dialog zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Andy Gheorghiu Consulting

Quellen:

Veranstaltungshinweis

Fachtag nachhaltiges Bauen
1. Februar 2023 in Erfurt 

Eine Kooperationsveranstaltung des Landeskirchenamtes der EKM in Erfurt, des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums in Magdeburg und der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg

Aspekte des nachhaltigen Bauens sind schon seit vielen Jahren Teil des Planungs- und Bauprozesses. Es geht dabei um umwelt- und klimagerechtes Bauen, um Energieeffizienz und Ressourcenschonung, aber auch um Anforderungen der zukünftigen Nutzung. Als Kirche sehen wir uns in einer besonderen Verantwortung, auch beim Bauen, Sanieren und Planen unseren Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten und dabei ist jeder Beitrag so dringend und notwendig wie nie zuvor. Die Gebäude und das Bauen gehören zu den größten Treibhausgasemittenten. Hier lohnt es besonders, sich Gedanken über mögliche Einsparungen zu machen. Was möglich ist und wo es Grenzen gibt, wollen wir an diesem Fachtag aufzeigen und miteinander an Beispielen diskutieren.

Wir laden herzlich ein: Baureferentinnen und -referenten, Gemeindekirchenrätinnen und -räte, Grüne-Hahn Gemeinden und -Einrichtungen und alle, die sich über Möglichkeiten und bereits bestehende Projekte des austauschen wollen. 

Ort: Der Fachtag findet im großen Saal des Landeskirchenamtes in Erfurt,

Michaelisstraße 39, statt.

Eine digitale Teilnahme ist möglich. 

Der Fachtag wird als Fortbildung anerkannt. 

Programm, weitere Information und Anmeldung:

www.ev-akademie-wittenberg.de
Tel.: 03491 49880

Filmtipp aus dem Archiv

Soylent Green

Der Film:

USA (1973): Im Jahr 2022 kämpfen die Menschen im überbevölkerten New York um die nackte Existenz, weil es an elementaren Ressourcen wie Wasser, Nahrung und Wohnraum mangelt. Die Menschen, von denen lediglich noch ein paar Privilegierte wissen, was echtes Fleisch und Brot sind, ernähren sich von künstlich hergestellten, von öffentlicher Stelle verteilten Nahrungsmitteln der Firma Soylent. Das Unternehmen kontrolliert die Lebensmittelversorgung der halben Welt und hat nun sein neuestes Produkt „Soylent Green“ auf den Markt gebracht, das wesentlich nahr- und schmackhafter sein soll als seine Vorgänger „Soylent Red“ und „Soylent Yellow“.

Die an Oblaten erinnernde Nahrung wird laut Behörden Algen entnommen. Inmitten dieser „Häppchengesellschaft“ recherchiert der Polizist Thorn gemeinsam mit seinem alten Zimmergenossen Sol Roth über den Tod von Simonson, einem leitenden Angestellten von Soylent. Die Ermittlungen führen sie zu einem Priester, bei dem Simonson kurz vor seinem Tod gebeichtet hat. Dieser macht jedoch nur Andeutungen über eine „grausame Wahrheit“. Kurz darauf wird der Priester ermordet aufgefunden. Akribisch arbeiten Thorn und Sol weiter an der Enthüllung der unheilvollen Wahrheit.

Je mehr die beiden herausfinden, umso mehr Steine scheinen ihnen von den Behörden und Mächtigen der Stadt in den Weg gelegt zu werden. Schließlich machen sie tatsächlich eine an Grausamkeit nicht zu übertreffende Entdeckung …

Dieser Film gilt als ein „früher ökologischer Thriller“ („Lexikon des Internationalen Films“) über das Jahr, in dem wir heute leben. Der meisterhafte Science-Fiction-Film wirft einen pessimistischen Blick in die Zukunft: Gezeigt wird eine völlig heruntergewirtschaftete Welt, in der ein einziges Monopolunternehmen herrscht und in der die Menschen zu einem unwürdigen Dasein verdammt sind. Richard Fleischer filmte diese Dystopie vor knapp 50 Jahren. Ein spannender Blick aus der Vergangenheit auf unsere Gegenwart, der zum Nachdenken anregt.

Der Film ist online verfügbar, u. A. in der ARD Mediathek:
https://www.ardmediathek.de/suche/soylent%20green

Dokumentation zum Film: 

in „Kulturzeit extra: Mensch, Erde – Was tun?“:
zum Öko-Thriller „Soylent Green – das Jahr 2022“

1973 hat man das den Klimawandel schon in düsteren Bildern prophezeit. Unter dem Titel „Soylent Green“ kam damals eine legendäre Film-Dystopie von Richard Fleischer in die Kinos. Der Film zeichnet ein dramatisches und makabres Bild des Jahres 2022 und gilt als einer der ersten Öko-Thriller der Filmgeschichte. Mit Charlton Heston in der Hauptrolle behandelt er Themen wie Nahrungsmittelknappheit, Treibhauseffekt und Umweltkatastrophen. Was wusste man bereits 1973 über den Klimawandel?

In der 3Sat Mediathek bis zum 2.3.2023 verfügbar
https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/extra-mensch-erde-soylent-green-jahr-2022-die-ueberleben-wollen-100.html

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Siegrun Höhne

Kirchlicher Dienst auf dem Land, Umweltmanagement der EKM, Leiterin der Studienstelle/ KFH
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