Diskurs

Auswirkungen des Systems Fast Fashion (‚Schnelle Mode‘) auf Mensch und Natur in Europa und im Globalen Süden

Durch billige Preise wird Mode zum Wegwerfartikel, jeder Deutsche kauft sich jährlich im Durchschnitt 60 neue Kleidungsstücke, wovon jedes fünfte so gut wie nie getragen wird. Deutschland importierte im Jahr 2021 für 35,12 Milliarden Kleidung (Vgl. Importe von Maschinen im Jahr 2021 92,38; Quelle: Veröffentlicht von Statista Research Department, 18.11.2022.) 

Gleichzeitig landen alleine in deutschen Privathaushalten jährlich 1,3 Millionen Tonnen Kleidung im Müll. Das sind erschreckende Zahlen in einer Welt, in der Klimawandel und Naturkatastrophen täglich in den Nachrichten auftauchen.

Die Bekleidungsindustrie ist heutzutage eine der wichtigsten Industrien weltweit. Der Absatz von Textilien hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten beinahe verdoppelt: von einer Billion US Dollar im Jahr 2002 auf 1,8 Billionen US Dollar 2015. Mc Kinsey hat die Industrie bereits 2017 auf ein Marktvolumen von 2,4 Billion US Dollar geschätzt.

Etwa drei Viertel der Kleidung, die in Altkleidertonnen gegeben werden, landen bei Textilverwertern. Hier kommt der „Mythos“ Recycling ins Spiel, denn nur rund ein Viertel dieser Bekleidungsartikel wird tatsächlich recycelt. Zum Putzlappen reicht es immer, zu sehr viel mehr leider auf Grund des aktuellen Stands der Technik leider nicht. 40 – 50 Prozent der Altkleider werden gewinnbringend nach Afrika, Asien oder Osteuropa verkauft. Diese Exporte beliefen sich 2014 weltweit auf etwa 4,3 Millionen Tonnen, an vorderster Front die USA, Deutschland und Großbritannien. Die Importe von Altkleidern sind in den letzten Jahren so enorm gestiegen, dass sich inzwischen 42 Nationen im globalen Süden zusammengeschlossen haben, um den Import gebrauchter Kleidung einzuschränken oder ganz zu verbieten.

Quelle: Morgen Müll – it fits – Organic Textile Partner Zugriff 27.03.23

Bildrechte: istock.dom/ Björn Forenius

„Chile ist seit langem eine Drehscheibe für gebrauchte und unverkaufte Textilien aus der ganzen Welt. In der Freihandelszone des Hafens von Iquique landen laut Recherchen der Nachrichtenagentur AFP jedes Jahr rund 59.000 Tonnen Kleidung. Was nicht in die Hauptstadt Santiago oder in Nachbarländer Südamerikas weiterverkauft wird, landet in der Wüste. Chiles einzigartiger Desierto de Atacama wird zur Abfallhalde für Fast Fashion. Die Textilien sind so giftig wie Plastik oder Reifen. Sie enthalten viele Schadstoffe, beispielsweise durch das Färben, Bleichen oder Bedrucken. Laut einer aktuellen Studie von Greenpeace setzt die Textilindustrie mehr als 70 gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien ein. Das enthaltene Polyester braucht bis zu 200 Jahre, um sich abzubauen, und selbst dann bleiben sogenannte Mikroplastik-Artikel übrig.“ Ähnlich sieht es auch in anderen Ländern des Globalen Südens aus, wie auf dem Bild oben aus Bangladesh zu erkennen ist.

Quelle: Atacama-Wüste in Chile: Müllhalde für Fast-Fashion | tagesschau.de Zugriff 27.03.23

Aber nicht nur weit weg, sondern auch direkt in Europa stellen die Modemassen ein Problem dar – illustriert am Beispiel Zalando:

Schon 2019 verkündet Zalando das Ziel, „eine nachhaltige Mode-Plattform mit einer netto-positiven Auswirkung auf Mensch und Erde“ zu werden. Den Kunden verspricht man dafür: klimaneutrale Retouren, einen Reparaturservice, den Wegfall von Einwegplastik und eines der größten Sortimente an nachhaltiger Mode überhaupt. „Wir wollen eine transparentere, nachhaltigere Zukunft der Mode schaffen“, so Zalando. 

Problematik der Retouren

Allein 2021 wurden in Deutschland 440 Millionen Modebestellungen retourniert, knapp ein Drittel davon geht auf Zalandos Konto. Das Problem sind dabei nicht nur die zusätzlichen Transportwege von Online-Modehändlern. Laut einer Marktstudie der Branchenvereinigung Händlerbund finden sich in fast jeder fünften Rücksendung Textilien, die beschädigt oder getragen sind. Insgesamt könnten sogar 44 Prozent der zurückgesendeten Waren nicht mehr zum ursprünglichen Preis verkauft werden. Und laut der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg landen jedes Jahr etwa 20 Millionen Retouren direkt in der Müllverbrennungsanlage. 

Die Retouren sollen vom Kernmarkt in Westeuropa verschwinden.

Das sei die einzige Auflage. „Meine Kunden wollen nicht, dass ein Artikel, den sie für 200 Euro in ihrem Shop verkaufen, online irgendwo für 50 Euro auftaucht. Das macht das Geschäft kaputt.“ Was nach dem Abverkauf aus der Ware werde, interessiere seine Kunden ansonsten nicht mehr. Zu seinen Geschäftspartnern gehören Discounter, Baumärkte und große Online-Marktplätze. Auch Zalando-Ware hat Marmar kürzlich verramscht. Ein Zwischenhändler, der direkt mit dem Unternehmen zusammenarbeite, habe ihm, so erzählt er es, Kleidung und Schuhe des Unternehmens verkauft. Marmar hat die Ware dann an Händler außerhalb Europas weiterverkauft. 

Lastwagen kreisen durch Europa – gelenkt von Spekulationen

Die Ursache für die Irrwege unserer Retouren nennt Asdecker predictive analytics, also vorhersagende Analytik. Jede Fahrt mit dem Lkw beruhe auf einer Spekulation, wo das Kleidungsstück als Nächstes am ehesten bestellt werden könnte. Die Vorhersagen treffe ein Algorithmus, der darauf programmiert sei, für eine möglichst schnelle Lieferung zu sorgen. Die Transporter kreisten dafür ständig durch ganz Europa. Zalando bestätigt diese Vorgehensweise. Man stütze sich dabei etwa auf Daten zum Kaufverhalten der 50 Millionen Kunden sowie auf fast 15 Jahre Erfahrung. 

Wegen der hohen Rücksendequoten seien Retourenzentren von Mode-Onlinehändlern mitunter überfüllt, sagt Björn Asdecker. Was nicht mehr reinpasst, werde daher schnell wieder in einen Lkw verfrachtet und auf eine Reise quer durch die Absatzmärkte geschickt. „Die Lkw dienen im Endeffekt als Lagerräume für Zalando“, sagt Asdecker. 

Quelle: Zalando: Die Retourkutsche | ZEIT ONLINE Zugriff 27.03.2023

Im Rahmen der ersten Fashion Revolution Week „Fairkleiden“ vom 22. – 28. April 2023 schauen wir uns alternative Handlungsoptionen für Konsument:innen im Globalen Norden an. Sie sind herzlich zu der Veranstaltungsreihe eingeladen. Weitere Informationen hier. Darüber hinaus werden im Anschluss an die Veranstaltungsreihe Handlungsempfehlungen und eine Materialsammlung auf unserer Webseite veröffentlicht.

Franziska Ilse-Shams

Eine-Welt-Regionalpromotor*in für Anhalt-Bitterfeld, Dessau, Wittenberg und Nördlicher Saalekreis
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