Diskurs

Studieren in der Pandemie

Wann ging es um DICH? Corona-Politik und Dein Alltag

Vor mehr als zwei Jahren hat die Pandemie den Alltag vieler Menschen stark verändert. Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie reichten von der Maskenpflicht über Kontaktbeschränkungen bis hin zum Lockdown. Besonders groß war der Einschnitt für viele junge Menschen.

In der „JuCo III“-Studie vom Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ werden Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen untersucht. Dort zeigt sich beispielsweise, dass mehr als jede:r fünfte Jugendliche, angesichts der Belastungen Unterstützungsangebote brauche, diese aber nicht zur Verfügung habe [1]. Doch obwohl es diese und weitere wichtige Studien über die Auswirkungen und die konkreten Situationen junger Menschen während der Pandemie gibt, kommen sie so gut wie nie selbst zu Wort oder anschließend gar mit Politiker:innen dazu ins direkte Gespräch.

Das Projekt soll genau dies im Interesse junger Menschen tun: Sie hör- und sichtbar machen sowie eine Gelegenheit zur Verständigung mit Politiker:innen schaffen. Wir möchten von jungen Menschen wissen – Wann ging es um DICH?

Einsamkeit im Studium

Sie fühlen sich nicht ernst genommen – das haben Marline* und Antonia* gemeinsam. Beide sind Studentinnen und berichten über ihre Erfahrungen mit der Pandemie und der Corona-Politik.

Oft wurde über Regelungen zum Homeoffice oder über die Situation in den Schulen diskutiert, Azubis und Studierende hingegen seien nicht beachtet worden. Von den Studierenden sei erwartet worden, dass sie ihr Leben selbst regeln, so die 20-Jährige Antonia. Trotz Online-Semestern wurden die regulären Studienleistungen erwartet und die mentale Gesundheit der Studierenden außer Acht gelassen. Antonia studiert im dritten Semester und die Pandemie begann als sie kurz davor war, ihre Abiturprüfungen zu schreiben. Seit es die Kontaktbeschränkungen gibt, fühle sie sich sehr unsicher, wenn sie irgendwo hin gehe. Mittlerweile falle es ihr schwer, intensiv soziale Kontakte zu pflegen.

Auch Marline hatte das Gefühl, in der Pandemie nicht gehört zu werden. Im Pandemie-Alltag habe sich die 21-Jährige Studentin in einem ungesunden Wohnumfeld wiedergefunden, unter dem Mangel an persönlichen Begegnungen im Privaten und im Studium gelitten, sich einsam, hilflos und leer gefühlt. Besonders im Studium seien die Veränderungen durch die Corona-Maßnahmen eine Belastung gewesen. Dort habe sie den Austausch untereinander und die gemeinsamen Erlebnisse, die die Studienzeit prägen, vermisst. Im Stich gelassen fühle sie sich am meisten von den Universitäten, die die digitale Lehre weiterhin ausweiten, aber in dieser Hinsicht schlecht organisiert und ausgestattet sind. Für manche Dozierenden sei es eine Vereinfachung gewesen, immer wieder die gleichen Videos hochzuladen.

Psychische Unterstützung fehlt

Antonia äußert den Eindruck, dass Studieren in den Online-Semestern wenig wertgeschätzt wurde und Studierende stattdessen von vielen Erwachsenen als faul abgestempelt wurden. Enttäuscht sei sie aber vor allem von Professor:innen und der alten Bundesregierung. „Wären wir einfach einmal Thema in der Politik gewesen und wäre uns gesagt worden, dass sie uns verstehen, zuhören und etwas ändern wollen, dann wäre das schonmal ein guter Anfang!“, so die 20-Jährige. Sie hätte sich mehr Angebote zur mentalen Gesundheit und Seelsorge von den Universitäten gewünscht, da es viele Menschen gegeben hätte, denen es sehr schlecht ging. Auch Marline wünscht sich mehr niedrigschwellige Angebote zu psychischer Unterstützung und in Zukunft mehr Bedacht beim Erlassen von Kontaktbeschränkungen.

Angst und Sorge vor der Zukunft

Die Sorgen im Hinblick auf die Zukunft teilen beide Studentinnen. „Wir müssen JETZT gegen den Klimawandel vorgehen und nicht erst übermorgen oder irgendwann. Die Gelassenheit, die manche Menschen bei diesem Thema an den Tag legen, macht mir Angst“, findet Antonia. Sie ist der Meinung, dass die jungen Generationen während der Corona-Pandemie viel haben zurückstecken müssen, etwas zurückgeben würden die Älteren trotzdem nicht. Das Interesse an der Klimakrise sei unter den Erwachsenen meist gering. Den Generationenvertrag sieht sie deshalb als nicht erfüllt an. Auch Marline besorgt die Klimakrise, aber auch weitere gesellschaftliche Probleme wie die soziale Ungerechtigkeit, autoritäre Sympathien in der Gesellschaft, Diskriminierung und Hass beschäftigen sie.

Studierende wurden oft vergessen

Während in der Politik viel über Erwerbstätige oder Schüler:innen gesprochen wurde, wurden die Sorgen und Anliegen der Studierenden oft vergessen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben den Alltag im Studium stark verändert das zeigen die Schilderungen der beiden Studentinnen. Festhalten lässt sich, dass Online-Semester mit beschränkten Möglichkeiten zum Austausch, kaum persönliche Kontakte und fehlende psychische Unterstützung die Studierenden belasteten. Daneben spiele Zukunftsängste und das Gefühl, dass diese nicht ernst genommen werden, eine bedeutende Rolle im Alltag der beiden.  

Die Erfahrungen stammen von jungen Menschen, die im Rahmen des Aufrufs „Wann ging es um DICH? Corona-Politik und dein Alltag“ an einer Online-Umfrage teilgenommen haben.


[1] vgl. Reinke, Sara: JuCo III“-Studie: Mehr Sorgen, dennoch gestalten junge Menschen ihre Jugend in der Pandemie. In: Stiftung Universität Hildesheim, 2022, https://www.uni-hildesheim.de/neuigkeiten/erste-ergebnisse-der-bundesweiten-studie-juco-iii-veroeffentlicht/ (aufgerufen am 09.08.2022).

* Die zitierten Schülerinnen haben an der anonymen Umfrage teilgenommen. Es werden daher Pseudonyme verwendet.

Schlagwörter: Jugend, Politik

Wären wir einfach einmal Thema in der Politik gewesen und wäre uns gesagt worden, dass sie uns verstehen, zuhören und etwas ändern wollen, dann wäre das schonmal ein guter Anfang!

– Antonia, 20 Jahre

 

 

Diskurs-Beiträge

Skip to content