Diskurs

Beschluss führt zu Irritationen

Zur Entscheidung des Gemeindekirchenrates der Stadtkirche vom 25. Oktober 2022
C. Melms

Der Gemeindekirchenrat der Stadtkirche hat sich bei seiner Sitzung am 25.10.2022. für den Verbleib des judenfeindlichen Schmähreliefs an der Stadtkirche entschieden. Damit weicht er von den Empfehlungen des Beirats der Stätte der Mahnung ab, der vom Gemeindekirchenrat 2020 speziell dafür eingesetzt worden war, um eine tragfähige und fachlich fundierte Perspektive zu erarbeiten.

2020 initiierte der Gemeindekirchenrat der Stadtkirche in Wittenberg die Gründung eines multiperspektivisch besetzten Expertengremiums, um über den weiteren Umgang mit dem judenfeindlichen Schmährelief zu beraten. Im Juli 2022 legte das Gremium seine abschließenden Empfehlungen vor. Neben einer besseren Kontextualisierung plädierte der Beirat dafür, das judenfeindliche Bildmotiv an der Wittenberger Stadtkirche aufgrund seiner beleidigenden Aussagen der öffentlichen Sichtbarkeit zu entziehen. Auf welche Weise dies realisiert werden könne, ließ der Beirat in seiner abschließenden Erklärung bewusst offen.

„Wenn im Beirat der Stätte der Mahnung eine gemeinsame Position war, dass an diesem Ort nicht mehr die Verunglimpfung des Gottesnamens und die Herabwürdigung von Glaubensgeschwistern im Zentrum stehen soll, war dem Gremium auch bewusst, dass es im Zielkonflikt mit den denkmalschutzrechtlichen Aspekten weitere Abstimmungen und vielleicht auch Kompromisse braucht“ so Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und Moderator der Beiratsgespräche.

Die Empfehlungen des Gremiums war, das Ergebnis eines langen Entscheidungsprozesses, in dem mehrere Optionen zur Weiterentwicklung des Gedenkensembles abgewogen und bewertet worden waren. Dass in Folge der Beiratsempfehlung in Lutherstadt Wittenberg offenbar der Eindruck entstanden war, man müsse sich gegen die Zerstörung eines etablierten Gedenkortes zur Wehr setzen, konterkariere die gemeinsame Arbeit der letzten Jahre. „Wir sind der festen Überzeugung, dass das Gedenkensemble an der Wittenberger Stadtkirche auch ohne das Zeigen der beleidigenden judenfeindlichen Plastik auskommt. Die Auffassung, dass durch die Abnahme das Erinnern negativ beeinträchtigt würde, teilen ich nicht“, kommentiert Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, die Pressemitteilung des Gemeindekirchenrates.

„Wir hätten uns in jedem Fall gewünscht, vor der Entscheidung noch einmal mit dem Gemeindekirchenrat in Kontakt treten und um unsere Empfehlungen werben zu können. Zur Sitzung eingeladen wurden wir aber nicht“, bilanziert er.

Schlagwörter: Bildung, Gesellschaft, Kultur

Christoph Maier

Akademiedirektor und Studienleiter für Theologie und Politik
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